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Nation: | Österreich |
von Wolfgang Hackl
Stand: 15.02.2015
Der Erfolg ihres ersten Romans „Die Züchtigung“ (1985) sicherte Anna Mitgutsch die anhaltende Aufmerksamkeit der Kritik und prägte das Verständnis ihres Werks so nachhaltig, dass die meisten Kritiker auch bei den folgenden Romanen nicht ohne die einmal gefundenen Etiketten auskamen. „Die Züchtigung“ erschien, als die Literaturkritik mit dem Schlagwort von der „Neuen Innerlichkeit“ versuchte, die literarische Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und mit persönlichen Sozialisationsbedingungen vom politischen Engagement der Literatur der siebziger Jahre zu trennen. Damit galt aber auch Mitgutschs Debütroman zunächst nur als ein weiteres Beispiel der autobiografischen Aufarbeitung problematischer Mutter-Tochter-Beziehungen, dem zwar sprachliche und literarische Qualität attestiert, dessen Bedeutung aber doch vornehmlich im Sujet und im ausschließlich weiblichen Personal gesucht wurde. ‚Autobiografisch‘, ‚Selbsterfahrungsliteratur‘, ‚feministische Positionen‘ waren daher die, wenn auch variierten, Konstanten in der Rezeption ihres Werks. Demgemäß wird vorwiegend der Bezug zur Realität gesucht, das Werk auf die Übereinstimmung mit dem eigenen Erwartungshorizont hin überprüft, oder es werden psychologische und soziologische Theorien am fiktionalen Text, mitunter auch an der Autorin verifiziert. „Was ist die Wirklichkeit neben der Kunst?“ fragt Mitgutsch die Lyrikerin Sylvia Plath in ihrem fiktiven, poetologischen Brief (1990), ...