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Nation: | Österreich |
von Rainer Höltschl
Stand: 15.09.2012
Ein Mann, wie sich später herausstellt, der Icherzähler „anselm“, sitzt betrunken auf einer Parkbank und verwickelt sich mit steigender Erregung in ein Selbstgespräch. Das ist die den gesamten Text grundierende Situation im ersten Buch von Anselm Glück: „stumm“ (1977). Zwei ineinander geschobene Erzählebenen bestimmen Thema und Struktur des Prosatextes: Die eine beschreibt vor allem im ersten Drittel des Buches die Loslösung, den Rückzug eines ziel- und bezugslosen Ichs aus der leeren Routine seines Alltags, den Abbruch aller persönlichen Beziehungen, das Fremdwerden, schließlich das völlige Auseinanderbrechen von gewohnter Ding- und Sprachwelt.
An diesem Punkt des Sprachverlustes, des Verstummens, tritt die zweite Erzählschicht in den Vordergrund. Mit Hilfe einer neu eingerichteten Medienwelt projiziert das vielfach aufgespaltene Ich in einem wahnwitzigen Redeschwall Figuren und Wörter in die vorher entleerte Umgebung, schließlich bis ins Universum und lässt so alle Erscheinungen zu Eroberungen der eigenen Person werden. Die Neuerschaffung der Welt durch Worte ermöglicht es ihm, das chaotische Treiben um ihn herum als „muster“, als „monotones wogen“ zu begreifen. Ein solcher „höhepunkt des wohlbefindens“ wird mehrmals ironisch kontrapunktiert vom Absturz in die Leere des einsamen Vor-sich-Hinredens, das ...