Geburtstag: | |
Nation: | Deutschland |
von Michael Neumann
Stand: 01.01.2006
Schreiben, so äußerte Doris Runge in einer Diskussion, bedeute für sie, überhaupt eine Stimme zu gewinnen. Die Erfahrung, an Geist und Leben fast erstickt zu sein unter der Sprachlosigkeit, lässt sich ihrer Lyrik deutlich ablesen, aber auch die glückhafte Erleichterung, in den Versen zu atmen und zu leben. Hier ereignet sich eine doppelte Rettung: Sprache und Autorin kommen in eins zu Wort, werden in eins neu geboren. Diese Einheit schlägt sich in der selbstverständlichen Anwesenheit des lyrischen Ich nieder, das doch als ein autobiografisches missverstanden wäre. Diese Einheit gründet aber auch in der gemeinsamen Herkunft aus der Sprachlosigkeit: Während in autobiografischer Hinsicht die Stummheit das Ich zu ersticken droht, erreicht historisch gesehen die Avantgarde in der Erschöpfung der sprachlichen Mittel die Grenzen der Sprache. Diese doppelte Last erlaubt Doris Runge nur die kleine Form: knappe Verse, kurze Strophen, Gedichtanfänge, von denen aus das Ende schon in Sicht ist. Aber in diesen kleinen Formen gelingt, was – angesichts der massenmedialen Sintflut der Worte wie der postmodernen Kopräsenz der poetischen Stimmen aller Zeiten und Räume – immer wieder als unmöglich verkündet wird: ein eigener ...