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Nation: | Deutschland |
von Jürgen Nelles
Stand: 15.09.2012
Ferdinand von Schirachs viel beachtetes erstes Buch „Verbrechen. Stories“ (2009) enthält elf, meist mit einem einzelnen Substantiv überschriebene Geschichten, die zwischen acht und ca. 30 Seiten umfassen und von außergewöhnlichen Rechtsfällen berichten. Allen Geschichten gemeinsam ist ein namenloser Icherzähler, hinter dem man jedoch ein Alter Ego des Autors – seines Zeichens Strafverteidiger in Berlin – erkennen kann. Sein „Verbrechen“-Band folgt einer Tradition der Kriminalliteratur, die im 18. Jahrhundert mit den von 1734 an erscheinenden vielbändigen „Berühmten und interessanten Rechtsfällen“ („Causes célèbres et intéressantes“) des Pariser Rechtsanwalts François Gayot de Pitaval ihren Anfang nimmt. Dessen epochemachende Sammlung wurde nicht nur bis ins 20. Jahrhundert immer wieder neu aufgelegt, erweitert und in viele Sprachen übersetzt, sondern Pitavals Art der Dokumentation fand zahlreiche Nachahmer. Für die Verbreitung seiner „Rechtsfälle“ auf deutschem Boden sorgte zunächst Friedrich Schiller, dessen berühmte Erzählung „Der Verbrecher aus verlorener Ehre“ (1786) als ein Vorläufer der literarischen Kriminalerzählung angesehen wird und mit der von Schirachs Form der Berichterstattung einiges gemeinsam hat: Auch seine ‚Stories‘ handeln nicht von alltäglichen Rechtsbrüchen, sondern von aufsehenerregenden Kriminalfällen, die erzählt und deren – wie im Falle von Schillers „Verbrecher“ ...