Nation: | Deutschland |
von Markus Moninger
Stand: 01.06.2006
Nur wenige Autorinnen rücken dem Subjekt so nahe wie Gisela von Wysocki. Suchte man ein Bild, das die Denkbewegung ihrer Texte versinnlicht, so wäre es ein geöffneter Schädel, in dem eine permanente Performance der Selbstbefragung stattfände. Ihr Werk erkundet in vielfältiger Form, über Essays, Hörspiele, Theaterstücke und Fotografien, die Position des Subjekts in der paradoxen Situation seines inflationär diagnostizierten ‚Verschwindens‘. Gegenüber der diffusen Metapher setzt von Wysocki auf die Analyse der Prozesse, die zu dieser Positionierung beitrugen. Dabei geht es ihr vor allem darum, Denken und Reflexion in sinnliche Wahrnehmung zu überführen – bis hin zu konkreten Visualisierungen von Denkprozessen. Von Beginn an stand diese ästhetische Eigentümlichkeit in Verbindung mit einem breit angelegten Dekonstruktionsprogramm, das die Kategorie des Subjekts zunächst zerschlägt, um die Elemente seiner Konstruktion zu dekuvrieren: diskursive Praktiken, kulturelle Archive und die Macht des kulturellen Gedächtnisses.
Die Enthüllung beginnt schon mit ihrer Dissertation „Peter Altenberg. Bilder und Geschichten eines befreiten Lebens“ (1979). Gisela von Wysocki unterzieht Altenbergs Werk einer Archäologie der Diskurse, darin unverkennbar von Foucault beeinflusst. Sie siedelt Altenbergs Kulturkritik in einer soziokulturellen Überblendung zweier Welten an: der des ...