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Nation: | Deutschland |
von Dietrich Steinbach
Stand: 01.06.2002
„Deutsche Wirklichkeit“: So überschreibt Klaus Mann im Jahre 1937 seine Rezension des soeben in Amsterdam erschienenen Romans von Irmgard Keun „Nach Mitternacht“. Die prägnante Formel ist treffsicher und erhellend. Sie bezeichnet nicht nur das hervorstechende Merkmal des Romans, der den ,gewöhnlichen Faschismus‘, das alltägliche Leben im Nazi-Reich, schildert. In ihr ist vielmehr zugleich ein Wesenszug des gesamten literarischen Schaffens Irmgard Keuns erfaßt: In jedem ihrer Bücher gelingt der Autorin, ganz und gar ihren eigenen Erfahrungen und Beobachtungen vertrauend, die eindringliche „Schilderung gegenwärtiger Wirklichkeit“, und zwar vom jeweiligen historischen Standort der Entstehungszeit aus. Ihre Bücher sind, jedes für sich, Darstellungen deutscher Wirklichkeit in einem bestimmten geschichtlichen Augenblick.
In ihrem frühen Erfolgsbuch „Das kunstseidene Mädchen“, 1932 als zweiter Roman erschienen, läßt die Autorin, von einer Art hellsichtiger „Untergangsstimmung“ bewegt, die Endzeit der moribunden Weimarer Republik, den gesellschaftlichen Zustand im Vorfeld der Katastrophe gegenwärtig werden. „Nach Mitternacht“, wohl das beste und wichtigste Buch der Keun, zeigt die Folgen: In ihm werden, rund um den Führerbesuch im Jahre 1935 in Frankfurt/M., der unheimliche Alltag und die menschlichen Verkrümmungen unter der Nazi-Herrschaft ...