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Nation: | Deutschland |
von Jan Strümpel
Stand: 01.06.2006
Die Glosse ist im feuilletonistischen Tagesgeschäft gemeinhin der Ort für die „spitze Feder“, an dem mit aufklärerischem Impuls gesellschaftliche Phänomene subjektiv-pointiert dargestellt werden. Mit glossierenden Essays begann Joseph von Westphalen in den achtziger Jahren seine literarische Laufbahn. Sein außerordentlicher Erfolg in diesem Genre erklärt sich daraus, daß der Autor dem schalen Beigeschmack kulturkritischer Kolumnen mit stilistischer Meisterschaft entgegenzusteuern versteht. Denn Westphalen nimmt den Impuls der Glosse formal auf, ohne in den Sog ihres oft beliebigen, situationsbedingten Moralisierens zu geraten. Das im Feuilleton zu beobachtende Verfahren, das kritische Auge auf jedes Objekt zu richten, um den sich dort vorgeblich verbergenden Gehalt an Ideologie (etwa der „Bewußtseinsindustrie“) zu ‚entlarven‘, treibt Westphalen auf die Spitze, bricht es ironisch und bringt es damit zu Fall. Er verhöhnt „auf Bestellung, für gutes Geld und aus tatsächlicher Verärgerung“ und kann doch weder als Lohnschreiber noch als Moralist abgetan werden. Seine Abneigung gegenüber Moden, Phrasen und all dem, was als „Zeitgeist“ gesellschaftliche Geltung und damit ideologische Macht beansprucht, ist prinzipiell. Westphalen verficht nur wenige moralische, politische und ästhetische Grundsätze, er bestimmt seine Position vielmehr durch einen ...