Geburtstag: | |
Nation: | Deutschland |
von Elsbeth Pulver und Alexander Mionskowski
Stand: 15.05.2023
„Meine Freunde im Osten / verstehe ich / nicht mehr, im Landstrich / zwischen Hamme und Weser // kenne ich keinen. / Gelegentlich grüßt mich / der taubstumme Bauer / von gegenüber“. Diese Verse intonieren unter dem harmlosen Titel „Ortswechsel“ (in „Haus ohne Menschen“, 1993) ein Grundmotiv im Werk Kurt Drawerts. Die Erfahrung von Fremdsein und Fremdbleiben, eine nicht nur stimmungs- und situationsbedingte Einsamkeit zieht sich von den ersten, noch in der DDR entstandenen Gedichten bis zur späten Reiseprosa. Dass das Motiv in der deutschen Literatur eine lange Tradition hat, mindert dessen Bedeutung in diesem besonderen Werk nicht, im Gegenteil; manchmal glaubt man bei der Lektüre das „Fremd bin ich eingezogen“ aus Schuberts „Winterreise“ zu hören. Aber Drawert ist kein verkappter Romantiker, sicher nicht einer der sentimentalen Sorte. Der Elegienton, der, mehr oder minder deutlich und oft in ironischer Färbung sein lyrisches Werk durchzieht, ist nicht nur Ausdruck einer privaten Befindlichkeit, sondern der Erfahrung eines geschichtlichen Wechsels, von einer Gesellschaftsform zur anderen und also auch von einer Fremde in die andere. Drawert ist gewiss nicht der einzige DDR-Autor, der sich ...