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Nation: | Schweiz |
von Rainer Landvogt und Axel Ruckaberle
Stand: 15.06.2020
„Zuviel Reales im Sinn.“ Das denkt die Bildhauerin Lou in Martin R. Deans Erzählung „Torso“ (aus „Die gefiederte Frau“, 1984), als sie darangeht, aus einem Steinblock etwas zu verfertigen, das ein „Gegenkörper“ sein könnte zu dem, was ist. In analoger Weise ist Dean in seinen Texten bemüht, sich vom Empirischen nicht den Zugang zu den in und mit Sprache zu gewinnenden Freiräumen verstellen zu lassen. Ausgehend von der erfinderischen Variation vieldeutiger mythologischer Grundmuster, zum Beispiel des Labyrinths, entwerfen diese Texte ein Abbild der Gegenwart, das mit seiner eigenen, spielerischen Logik mehr Erkenntnisse freisetzt als jeder ‚Realismus‘: Wirklichkeit wird auf ihr rational Unauflösliches, ihr mythisches Moment hin transparent.
Schauplatz von Deans Erstlingsroman „Die verborgenen Gärten“ (1982) ist eine alte, von einem großen Garten umgebene Villa im Süden Frankreichs, eine zeitlos und geschichtsfern anmutende „grüne Enklave“. Der 23-jährige Manuel Kornell, noch vom Schmerz einer zu Ende gegangenen Liebesbeziehung verfolgt, akzeptiert das Angebot des doppelt so alten reichen Exzentrikers Leo Brosamer, ein Jahr lang einziger Bewohner dieser Villa zu sein. Als Gegenleistung erwartet Brosamer von ihm einen rein gegenwartsbezogenen ...