In einer Geschichte mit dem lapidaren Titel „Literatur“ (in „Der Kommunist vom Montmartre“, 1997) erzählt Michael Kleeberg von einem denkwürdigen Ereignis während eines Literaturwettbewerbs, der unschwer als der Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb auszumachen ist:
Im Rahmenprogramm dieser Veranstaltung findet in einem Bergdorf unweit der österreichisch-slowenischen Grenze die gemeinsame Lesung eines kroatischen Romanciers und eines bosnischen Lyrikers statt. Den einen würde man in den Juroren-Diskussionen des Wettbewerbs einen ‚Realisten‘ nennen, das Schreiben des anderen als ‚experimentell‘ bezeichnen. Aber beide liefern in ihrer jeweiligen Schreibart „zur Sprache gewordene Splitter“ der Realität des Balkankriegs. Beeindruckt von der Ernsthaftigkeit ihrer jeweiligen literarischen Verarbeitung unmittelbar erlebter Wirklichkeit und zugleich abgestoßen von der als rein akademisch empfundenen Diskussion der Juroren des Wettbewerbs, macht sich nach der Lesung ein Wettbewerbsteilnehmer zu Fuß auf, um jenseits der Berge im ehemaligen Jugoslawien zu erkunden, was es ist, das „mitten im Feuer des Bürgerkrieges Sprache wachsen ließ anstatt Schweigen“.
Die Geschichte ist nicht bloß eine polemische Abrechnung mit dem Klagenfurter Wettbewerbsritual (dem sich Kleeberg 1993 mit Auszügen aus seiner Novelle „Barfuß“ unterzogen hat); sie ist vor allem eine parabelhafte Selbsterklärung ...