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Nation: | Russland |
von Beate Tröger
Stand: 01.08.2017
„Unter vielen Begabten gibt es wenige, die der Dummheit der Stunde nicht hinterherlaufen. Es geht um die Freiheit und die Frechheit, die allgemeingültigen Vorstellungen und Forderungen nicht zu berücksichtigen“, schreibt Olga Martynova in ihrem Essay „Über die Dummheit der Stunde“. Man findet hier das entschiedene Bekenntnis einer Autorin zu einer künstlerischen Praxis, die sich im Abstand zu tagespolitischen Geschehnissen begreift, die nicht die sogenannte Wirklichkeit zum Maßstab erhebt, sondern von der Schaffung einer anderen Wirklichkeit vermittels der Kunst ausgeht: „Kunst ist die Verwandlung der Realität in einen anderen physischen Zustand.“
Erste Überlegungen zu einer Poetologie Martynovas ließen sich auch aus dem Roman „Mörikes Schlüsselbein“ (2013) destillieren, dessen erstem Kapitel sie ein Motto des russischen Schriftstellers und Oberiuten Alexander Wwedenskij voranstellt: „In einem Roman wird das Leben beschrieben, da läuft angeblich die Zeit, aber sie hat nichts Gemeinsames mit der wirklichen Zeit, da gibt es keine Ablösung des Tages durch die Nacht, da entsinnt man sich spielerisch beinah des ganzen Lebens, während du dich in der Wirklichkeit kaum an den gestrigen Tag erinnern kannst. Und überhaupt: Jede Beschreibung ist falsch. Der Satz: ‚Ein Mensch sitzt, ...