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Nation: | Österreich |
von Kalina Kupczynska
Stand: 15.09.2021
„Die Chirurgie ist eine hochliterarische Angelegenheit“, behauptet der erfolgreiche Chirurg und erfolglose Schriftsteller in Paulus Hochgatterers Roman „Über die Chirurgie“ (1993), und liefert damit eine Chiffre für das Werk des österreichischen Schriftstellers. Hochgatterer ist praktizierender Kinderpsychiater. Das Arztmilieu bildet eine Konstante in seinem Prosawerk. Eine andere sind Kinder und Jugendliche, die als Figuren dieses Werk und dessen Poetik maßgeblich bestimmen. Die Chirurgie ist dabei weniger als Motiv denn als eine Metapher für das poetologische Verfahren präsent – die Sezierung mit der Feder trifft die Oberfläche der österreichischen Wohlstandsgesellschaft wie auch die psychologischen Eigenarten der Figuren und nicht zuletzt den narrativen Fluss der Geschichten. Dass der Gestus des Zerlegens jeweils des gesellschaftlichen wie auch des Text-Körpers stets am Werk ist, wird allein daran sichtbar, wie sich Hochgatterers Prosa gegen Subgenre-Zuschreibungen sperrt. Das Etikett ‚Krimi‘, das etwa den Romanen „Die Süße des Lebens“, „Das Matratzenhaus“ und „Über Raben“ in den Rezensionen angehängt wurde, ist ein Pauschalurteil. Viel zutreffender erscheint Konstanze Fliedls Bezeichnung „forensische Romane“, da sie die diskursive Neugier der Texte hervorhebt. Die früheren Prosatexte – „Rückblickpunkte“, „Caretta Caretta“, „Wildwasser“ – bewegen sich ...