Geburtstag: | |
Nation: | Deutschland |
von Andreas Erb
Stand: 01.10.2011
Es gehört zu den Ausnahmen des Literaturbetriebs, dass sich ein junger Autor mit seinem Erstlingswerk, dazu noch mit einem Lyrikbändchen („Kratzer“, 1984, erweiterte Neuauflage 1987), das ungeteilte Lob der Kritik erschreibt. Ausgangspunkt der Gedichte Ralf Rothmanns ist zumeist eine Folge von Verletzungen, die von autoritären Instanzen zugefügt werden, vor allem von der Familie als Teil der repressiv erfahrenen Nachkriegsgesellschaft. Dementsprechend wird in „Kratzer“ das Leben beschrieben als eines zwischen dem „Gemetzel von gestern“ und dem „Röcheln von morgen“. Auf der einen Seite schmerzen eben jene Kratzer, die in der Jugend erlitten wurden („die Kindheit, / eine Prügelstrafe“). Auf der anderen Seite steht die Aussicht auf eine sich kaum verändernde Welt: „wie üblich“ verharren die Männer in ihren Körperpanzern, und die Frauen fügen sich in eine von „Eisschrank und Staubtuch“ beherrschte Lebensperspektive. Es geht in den Texten Rothmanns damit auch um den Prozess des Alterns und um die Hoffnung, mittels Liebe, Suff, Kunst oder Flucht der alltäglichen Misere zu entkommen bzw. sich ihr trotzig entgegenzustellen. Insgesamt wird in den Gedichten viel von dem Potenzial an Leid, Wut, Gewalt und Gegenwehr vorweggenommen, mit dem ...