Geburtstag: | |
Nation: | Deutschland |
von Martin Hielscher
Stand: 01.01.2006
Als 1977 Ralf Theniors erstes Buch „Traurige Hurras“ erschien, wurde in der Zeitschrift „Akzente“ gerade eine heftige Debatte über die Lyrik der so genannten Neuen Sensibilität geführt, ausgelöst durch eine Polemik von Jörg Drews. Im Laufe dieser Diskussion nahm Drews zwei Autoren von seinem vor allem gegen Jürgen Theobaldy gerichteten Vorwurf der „Standard-Posen des Leidens“ und der allzu großen Nähe zum Jargon von „halblinken Kleingruppen“ aus: Rolf Dieter Brinkmann und Ralf Thenior.
Schien ihm Brinkmanns Kraft, seiner Verzweiflung Ausdruck zu verleihen, die Bemühungen von Theobaldy, Krechel, Kiwus, Born, Malkowski und anderen um einen authentischen Ausdruck subjektiver, sinnlicher Erfahrung in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit weit zu übertreffen, so schien ihm Theniors Umgang mit dem Sprachmaterial von größerer Distanz zu einer neuen Unmittelbarkeit zu sein als bei den genannten Autoren.
Gemeinsam mit diesen Autoren galt Thenior als Vertreter einer Alltagslyrik, die im Bruch mit der Tradition des hermetischen Gedichts, der Naturlyrik unter anderem auf Symbolik, auch Metaphorik fast gänzlich verzichtete und zumeist in einem lockeren Parlando Erfahrungen mit der Wirklichkeit notierte, die immer gebrochen blieben vom nachwirkenden Bewusstsein der gescheiterten Studentenbewegung. ...