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Nation: | Deutschland |
von Jürgen Engler und Wolfgang Emmerich
Stand: 15.02.2022
Der Rang eines Autors bemisst sich nach der Unordnung, die er, sich bequemen Einordnungen verweigernd, in die Literaturgeschichte trägt. Nichtsdestotrotz steht vor der Bestimmung seiner Eigenart, des Unverwechselbaren, die Benennung des „Verwechselbaren“. Richard Pietraß gehört der „Zwischengeneration“ der in den Nachkriegsjahren Geborenen an. Von ihr lässt sich leichter sagen, wohin sie nicht mehr und wohin sie noch nicht gehört. Die Aufbruchsstimmung der „Braun-Generation“, deren Anspruch, an der politischen Gestaltung und Umgestaltung der sozialistischen Gesellschaft teilzunehmen in der Hoffnung auf ein „Hinüberarbeiten in die freie Gesellschaft“ (Volker Braun), war ihr fremd geworden. Wohl war das lyrische Ich der Gedichte Pietraßʼ in die Konflikte der „realsozialistischen“ Gesellschaft involviert, aber es war und ist beileibe kein Parteigänger sozialer Gruppen, kein Prediger weltanschaulicher Lehren und Thesen. Es prüft vielmehr seine Empfindungen angesichts des verwickelt-verwirrten Welttreibens. Im Auf und Ab von Selbstvergewisserung und Selbstzweifel sind die Gedichte zuerst Botschaften des Autors an sich selbst; mit dem lyrischen Ich wird ein Alter Ego, ein anderes und gleichsam auch besseres Ich entworfen, dessen geschärfter Wahrnehmung der Welt durchaus auch moralische Bedeutung zukommt.
Dass ...