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(skrt., prakr.) – Unter den im Nāṭyaśāstra (spätestens 8. Jh.) beschriebenen zehn Schauspielarten (rūpaka) finden sich der Bhāṇa (Monologstück) und das Prahasana (Komödie oder Posse; wörtlich ›Gelächter‹). Beiden Gattungen gemeinsam ist die komische und satirische Grundstimmung und das Auftreten bestimmter – von der dramaturgischen Theorie als ›niedrig‹ eingestufter – Figuren. Nach einigen späteren Theoretikern ab ca. 1000 n. Chr. (im Nāṭyaśāstra findet sich hierzu nichts) soll das Prahasana die komische, der Bhāṇa aber die heroische und die erotische Gestimmtheit (rasa) andeuten. Die Handschriften der ältesten Vertreter beider Genres stammen sämtlich aus Südindien.
Der Bhāṇa ist ein einaktiges Monologstück, in dem ein städtischer Viṭa (Bonvivant) durch die Straßen einer Stadt geht und von erotischen Erlebnissen erzählt. Die auch aus dem ›Liebeslehrbuch‹ Kāmasūtra (Kāmaśāstra) bekannte Figur wird als sinnenfreudig, gebildet, charmant, eloquent, dichterisch begabt, geistreich und schlagfertig beschrieben; als verarmte, schmarotzerhaft lebende, sittlich zweifelhafte Person aus dem Umfeld der Hetärenviertel gehört er dramaturgisch der ›niedrigen‹ Klasse an, spricht in den Stücken aber Sanskrit. Dialoge auf der Straße werden technisch als »Sprechen in die Luft« (ākāśabhāṣita) realisiert: Der Frage »Was sagst du?« folgt die wörtliche, vom Viṭa scheinbar wiederholte Rede des jeweiligen Gegenübers.
Die ältesten erhaltenen Bhāṇas sind die zuerst in der Sammlung Caturbhāṇī (Vier Bhāṇas) veröffentlichten: Pādatāḍitaka (Der Fußstoß) des Śyāmilaka, Padmabhṛtaka (Das Lotusgeschenk) des Śūdraka, Ubhayābhisārikā (Ausgang beider, um einander zu treffen) des Vararuci und Dhūrtaviṭasaṃvāda (Dialog zwischen Gauner und Bonvivant) des Īśvaradatta. Über die Autoren und deren Datum ist nichts Sicheres bekannt. Śyāmilaka scheint Kaschmirer gewesen zu sein; aus Pādatāḍitaka zitieren Abhinavagupta, Kṣemendra und Kuntaka (alle um 1000). Rājaśekhara (9./10. Jh.) kannte einen Śyāmadeva (= Śyāmilaka?). Bestimmte Gründe könnten für eine Datierung in die zweite Hälfte des 5. Jh.s sprechen; die drei anderen Stücke sind vielleicht etwas jünger.
Das städtische Leben, besonders im Hetärenviertel, bildet den Hintergrund für sprachlich elegante Gesellschaftssatiren, in denen mit Ironie, Witz und zahlreichen Wortspielen vor allem Erotisches – gelegentlich auch drastisch – thematisiert wird. Die Stücke enthalten viele scharfe Beobachtungen zum gesellschaftlichen Leben und bieten einiges zur Realienkunde. Stilistisch folgen sie, trotz einiger seltener Wörter und Ausdrucksweisen, den klassischen Konventionen; in den Dialogen entwickeln sie aber auch einen etwas freieren Konversationsstil.
Beim Prahasana werden in der Theorie je nach den auftretenden Personen zwei oder drei Arten unterschieden. Trotz abweichender Akzentuierung im Einzelnen wird deutlich, dass sich das dramatische Personal aus religiösen (Wandermönche, Asketen, Brahmanen usw.) sowie aus sozial tiefer stehenden Kreisen (Dienerinnen, Eunuchen, Hetären, Bonvivants, Gauner usw.) rekrutieren soll. Darzustellen sind alltägliche Szenen, in denen Betrug und Heuchelei eine Hauptrolle spielen.
Das älteste datierbare Prahasana ist Mattavilāsa (Berauschtes Treiben) des śivaitischen Pallava-Königs Mahendravarman (erste Hälfte 7. Jh.). In diesem in der Hauptstadt Kāśī spielenden Einakter geht es um den Streit eines völlig betrunkenen śivaitischen Asketen, der der besonders radikalen Gemeinschaft der »Schädelträger« (kapālin) angehört, mit einem hedonistischen buddhistischen Mönch, dem er – fälschlich – Diebstahl seiner Schädelschale vorwirft. Als Schiedsrichter tritt der Mönch einer anderen śivaitischen Gemeinschaft (Pāśupata) auf, der zugleich mit dem Schädelträger-Asketen um dessen gleichfalls betrunkene Geliebte rivalisiert. Die offene Trunksucht und die Amouren der Asketen sind ebenso Gegenstand einer milden Satire wie die heimlichen Neigungen des Buddhisten, eines Weltlings, der sich aus Bequemlichkeit seinem reichen, offenbar auch vor Bestechungen von Richtern nicht zurückschreckenden Orden angeschlossen hat. Im Vordergrund steht die Komik, die sich aus den Eigenheiten der Personen und den Situationen, aber auch aus der witzigen Anwendung religiöser Doktrinen in den Dialogen ergibt.
Aus derselben oder noch früherer Zeit stammt Bhagavadajjuka (Die Heiligen-Hetäre), die literarisch anspruchvollste altindische Komödie, die sehr wahrscheinlich nicht von Mahendravarman, sondern vielleicht von einem nicht weiter bekannten Bodhāyana verfasst wurde. Hauptzweck ist die unterhaltsame Einführung in die Grundlehren des Yoga. Mit feinem Humor bietet die erste Hälfte des Stücks einen Dialog zwischen einem gelehrten, in seiner würdevollen Ernsthaftigkeit gelegentlich etwas kleinlichen Yoga-Meister mit seinem ungebildeten, zugleich verschmitzten Schüler, der tatsächlich nur an weltlichen Dingen interessiert ist, dies aber auch nicht verheimlicht. Im zweiten Teil demonstriert der Meister die Kraft seines Yoga, indem er mit seiner Seele in den Körper einer soeben verstorbenen Hetäre eindringt, deren Seele wiederum in den Körper des Meisters versetzt wird, was zu einigen turbulenten und komischen Szenen führt.
In den folgenden Jahrhunderten sind Hunderte, vielfach noch unveröffentlichte Prahasanas und Bhāṇas verfasst worden. Zum heutigen Repertoire des südwestindischen Kūṭiyāṭṭam-Tanztheaters gehören aber lediglich Bhagavadajjuka und Mattavilāsa.
Ausg.:The Pādatāḍitaka of Śyāmilaka, 2 Bde, Hg. G. H. Schokker/P. J. Worsley, 1966, 1976 [mit engl. Übers.]. • Glimpses of Sexual Life in Nanda-Maurya India, Hg. M. Ghosh, 1975 [Caturbhāṇī mit engl. Übers.]. • Die Heiligen-Hetäre. Bhagavadajjukam. Eine indische Yoga-Komödie, Hg. R. Steiner/M. Straube, Übers. U. Roesler/J. Soni/L. Soni/R. Steiner/M. Straube, 2006.
Übers.:Die Streiche des Berauschten. Satirische Posse, J. Hertel, 1924.
Lit.:S. K. De: Aspects of Sanskrit Literature, 1959, 1–26. • J. R. A. Loman: The Comic Character of the Caturbhāṇī, in: The Adyar Library Bulletin 25, 1961, 173–187. • S. S. Janaki: Caturbhāṇi – Literary Study, in: Indologica Taurinensia 2, 1974, 81–106. • K. K. Malathi Devi: Prahasanas in Sanskrit Literature and Kerala Stage, 1995.