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Michael Tönnies

deutscher Fußballspieler
Geburtstag: 19. Dezember 1959 Essen
Todestag: 26. Januar 2017 Essen
Klassifikation: Fußball
Nation: Deutschland - Bundesrepublik
Erfolge/Funktion: Zweitliga-Torschützenkönig 1991
Jugendnationalspieler

Internationales Sportarchiv 51/1991 vom 9. Dezember 1991 (eb)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 04/2017


"Ich habe meine Karriere völlig verpfuscht. Heute weiß ich, worauf es ankommt. Aber heute ist es dazu schon zu spät", bekannte voller Selbstkritik der Duisburger Fußballprofi Michael Tönnies im Herbst 1990, wenige Monate vor seinem 31. Geburtstag. Als Jugendlicher ein Riesentalent, hatte er seine Fähigkeiten ein Jahrzehnt lang geradezu verschleudert. Doch dann schaffte er in einem Alter, in dem sich mancher Profi erste Gedanken über die Zeit nach der Karriere macht, doch noch den Durchbruch zu einem nationalen Klassespieler. 1991 schoß er mit 29 Toren den MSV Duisburg in die Bundesliga und reihte sich auch hier auf Anhieb in die Liste der erfolgreichsten Torschützen ein. "Nur Schimanski ist in Duisburg noch so bekannt wie Torjäger Tönnies", titelte im Dezember 1990 die WELT.

Michael Tönnies führte jahrelang ein Leben, das der Karriere eines Profis alles andere als förderlich ist. Er zog lieber mit Freunden durch Kneipen und Diskos, als sich auf dem Trainingsplatz zu quälen, trank liebend gerne Bier und war ein starker Raucher. "Mein Lebenswandel hatte mit Profifußball nichts zu tun; ich habe damals alles als Hobby angesehen", gestand Tönnies auch später immer wieder und erhielt alsbald den Spitznamen "Tonne". Erst die Heirat mit seiner Freundin Sabine 1989 und die Geburt seines Sohnes Marc-André im selben Jahr änderten seine Einstellung und machten aus ihm einen erstklassigen Fußballspieler: "Mir ist auf einmal klar geworden, was für einen Mist ich da zwölf Jahre lang gemacht habe. Das Lotterleben ist jetzt vorbei. Ich fühle mich zu Hause nun wohler." Nach eigenem Bekunden hat er erkannt, "daß ein geregeltes Familienleben unentbehrliche Grundlage für einen Profi ist".

Überragende Torjägerqualitäten sind das hervorstechende Merkmal des bulligen Stürmers (182 cm, 80 kg). Michael Tönnies, diese "Gegenfigur zum Vorzeigeprofi" (SPORTS), läuft im Spiel nur wenig, dafür aber effektiv, und verfügt über einen ausgezeichneten Blick für torreife Situationen. Er reagiert blitzschnell, trifft mit rechts und links, verwandelt Frei- und Strafstöße und tritt die Eckbälle. Sein Trainer Willibert Kremer attestiert ihm auch technische Klasse und "das, was man einen Torriecher nennt". Kremer, der als der späte Entdecker und große Förderer von Tönnies gilt, scherzte sogar einmal, man könne ihm "eine Binde über die Augen legen. Der macht seine Tore trotzdem." Gefragt nach dem Geheimnis seines Erfolges, verweist Tönnies allein auf psychologische Aspekte: "Wenn das Selbstbewußtsein erst einmal da ist, dann erledigt sich der Rest von allein. Dann gehen die Bälle rein, die in Krisenzeiten weit vorbeifliegen würden."

Michael Tönnies ist ein sehr bodenständiger Mensch. Mit seiner Familie wohnt er dort, wo er groß geworden ist: im Essener Arbeiterviertel Schonnebeck in einer Eigentumswohnung, die ihm sein Vater bezahlte. In Urlaub fährt er nur ungern, "höchstens mal ins Sauerland". Nach Beendigung seiner Karriere ("mit 33 oder 34 ist Schluß") will Michael Tönnies, der "Faulheit" als seine schlechteste Angewohnheit bezeichnet, in die Glas- und Gebäudereinigungsfirma seines Vaters einsteigen, "vielleicht aber auch eine Kneipe aufmachen". Seine Hobbys sind Angeln ("weil mich das am besten entspannt") und Telespiele. Die meiste Freizeit widmet er jedoch seinem Sohn.

Laufbahn

Michael Tönnies lernte das Fußballspielen bei Rot-Weiß Essen und wechselte 1974 zum FC Schalke 04, dessen Nachwuchsförderung damals als vorbildlich für die ganze Bundesliga galt. In seinem letzten Jahr als Jugendlicher schaffte er den Sprung in die deutsche Jugendnationalmannschaft (u.a. neben Bernd Schuster, Thomas Allofs, Thomas Kroth) und erzielte einmal in einem Spiel gegen Dänemark beim 8:0 fünf Treffer. "Da haben mir alle gesagt, ich kann mal ein ganz Großer werden", erinnerte er sich an diese Zeit. Nach seinem Wechsel ins Seniorenlager schien er bei Schalke, wo er bereits als Nachfolger Klaus Fischers gehandelt wurde, auch gute Karten zu haben, denn der Trainer Ivica Horvath hielt große Stücke auf den Nachwuchsstürmer. Horvath wurde jedoch bald abgelöst und so kam Michael Tönnies, dessen Vorbild immer Günter Netzer war, bei den Königsblauen zwischen 1978 und 1981 schließlich lediglich zu sieben Bundesligaeinsätzen.

Nach dem Schalker Abstieg 1981, seiner größten Enttäuschung als Sportler, wechselte Tönnies zum Zweitligisten Spielvereinigung Bayreuth. Bei den Süddeutschen fühlte er sich allerdings überhaupt nicht wohl, nahm so oft es ging die lange Heimfahrt ins Ruhrgebiet auf sich und kehrte nach einem Jahr, das er später lapidar als "verschenkte Zeit" bezeichnete, schließlich wieder in die Heimat zurück, wo seine sportliche Talfahrt beim Amateur-Oberligisten 1. FC Bocholt ihre Fortsetzung fand. Hier spielte er drei Jahre und wechselte dann 1985 zurück zu seinem Stammverein Rot-Weiß Essen. Mit diesem schaffte er 1986 den Aufstieg in die zweite Liga, wo er dann aber nur vier Spiele bestritt und während der laufenden Saison 1986/87 zum MSV Duisburg ging.

Der Wechsel nach Duisburg bewirkte eine wahre Leistungsexplosion bei Michael Tönnies, der bis dahin einen Lebenswandel geführt hatte, der, so die Zeitschrift SPORTS, Hohn war, "auf die Askese, die den Sportheroen unserer Zeit abgefordert wird". Denn hier fand er nicht nur einen Trainer, der seine Fähigkeiten erkannte und ihm aller Kritik zum Trotz das nötige Vertrauen schenkte. Hier lernte er auch (in einem Sonnenstudio) seine spätere Frau Sabine kennen. Mit dem MSV Duisburg gewann er 1987 die Deutsche Amateurmeisterschaft, zwei Jahre später schoß er den Klub mit 34 Treffern in die zweite Liga zurück. Hier erzielte er während zweier Jahre in 67 Spielen 40 Tore. 1990/91 wurde Tönnies mit 29 Treffern Torschützenkönig der zweiten Liga (gleichzeitig treffsicherster Schütze im "bezahlten" deutschen Fußball) und trug damit wesentlich zum Aufstieg in die höchste Spielklasse bei. In der höchsten Spielklasse setzte sich der späte Aufstieg des Michael Tönnies nahtlos fort. Ende August erzielt er in der Begegnung gegen den Karlsruher SC sogar fünf Treffer in einem Spiel. Als seine weiteren Ziele nannte er im November 1991: "15 Tore in dieser Saison, noch vier Jahre beim MSV, vielleicht sogar einmal im Europapokal."

Informationen und Meldungen zum weiteren Fortgang der Karriere siehe Journal

Persönliches

26. Januar 2017: Der frühere deutscher Fußballspieler Michael Tönnies stirbt im Alter von 57 Jahren in Essen. Tönnies absolvierte 40 Bundesligaspiele (13 Tore) und 132 Zweitligaspiele (62 Tore).

Karriere in Zahlen

Stationen:

bis 1974: Rot-Weiß Essen
1974 - 1981: FC Schalke 04
1981/82: Spvgg. Bayreuth
1982 - 1985: 1. FC Bocholt
1985 - 1986: Rot-Weiß Essen
seit 1987: MSV Duisburg

Erfolge:

Bundesligaaufstieg 1991
Deutscher Amateurmeister 1987
Zweitliga-Torschützenkönig 1991 (29 Tore)
Torschützenkönig Oberliga Nordrhein 1989 (34 Tore)
3 Jugendländerspiele (5 Tore)

Journal

Ergänzungen aus MA-Journal. Die nachfolgenden Meldungen werden bei der nächsten redaktionellen Bearbeitung in den Text integriert.

22. September 2015: Beim Bundesligaspiel des FC Bayern München gegen den VfL Wolfsburg wird auf Münchner Seite Robert Lewandowski beim Stand von 0:1 zur zweiten Halbzeit eingewechselt und schießt in 8:59 Minuten fünf Tore (51., 52., 55., 57. und 60. Spielminute) zum 5:1 Endstand. Er stellt damit neue Rekorde für den schnellsten Dreier- (bisher Michael Tönnies 1991), Vierer- (Martin Petrov 2004) und Fünferpack (Dieter Hoeneß 1984) sowie den Rekord der meisten Tore nach einer Einwechslung in der Bundesligageschichte auf. Am 30.11. werden Lewandowski dafür vier Urkunden für vier Einträge in das "Guiness Buch der Rekorde" überreicht.

30. September 2015: Das Sportmagazin "Sport-Bild" berichtet über den früheren Bundesligaspieler Michael Tönnies, der für den FC Schalke 04 und den MSV Duisburg 40 Bundesligaspiele (13 Tore) absolvierte. Zudem bestritt er für Duisburg, Bayreuth, Essen und Wuppertal insgesamt 140 Zweitligaspiele. 1994 beendete er seine Karriere. 2004 wurde bei Tönnies eine unheilbare Lungenkrankheit diagnostiziert. Seine Ehe ging in dieser Zeit in die Brüche. Nach einer Lungentransplantation 2013 lebt Tönnies mit seiner neuen Lebensgefährtin in Essen und arbeitet bei den Heimspielen seines früheren Vereins MSV Duisburg als Stadionsprecher.



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