Jean Rudolf von Salis
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Internationales Biographisches Archiv
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW
Jean Rudolf (Rodolphe) von (de) Salis, Sohn eines Arztes und aufgewachsen als Berner Bürger, entstammte dem Graubündner Uradelsgeschlecht de Salis, dessen Ahnen im 13. Jahrhundert aus der Gegend des Comer Sees nach Soglio im Bergell zogen. Neben namhaften Armeeoffizieren, Diplomaten, Parlamentariern und Gelehrten gehörte auch der Lyriker Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis (+ 1834) zu seinen Vorfahren.
S. besuchte bis 1920 das Freie Gymnasium in Bern und studierte danach an den Universitäten Montpellier, Bern, Berlin (u. a. bei Ernst Troeltsch und Friedrich Meinecke) und Paris (u. a. bei Charles Seignobos und Henri Berr) Geschichte, Philologie und Politische Wissenschaften. Mit einer vielbeachteten Dissertation über den schweizerischen Volkswirtschaftler Jean Charles Léonard Simonde de Sismondi (+ 1842), einen der ersten "Krisentheoretiker", wurde er 1932 an der Sorbonne zum Dr. ès lettres promoviert.
Während seines Studiums in Paris war S. journalistisch tätig und schrieb als Korrespondent vor allem für den Berner "Bund" und die "Weltwoche". 1935 gar zum "Syndic de la presse étrangère" ernannt, verließ er noch im selben Jahr die französische Hauptstadt und folgte einem Ruf an den Lehrstuhl für Geschichte der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich, wo er bis zu seiner Emeritierung 1968 Geschichte in französischer Sprache las.
Zum Begriff auch außerhalb der Schweiz, in den von Deutschland besetzten Ländern und in Deutschland, wurde S. durch seine von 1940 bis 1947 über den Sender Beromünster ausgestrahlte wöchentliche Radiosendung "Weltchronik". Geschickt die eigenen Zensurbestimmungen umgehend, setzte der für Menschlichkeit, Toleranz und Offenheit stehende Historiker und Publizist der NS-Kriegspropaganda nüchterne Beurteilungen der militärischen und politischen Lage entgegen, als Mann der leisen Töne und frei von Emotionen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg profilierte S. sich als Historiker, dem Weltrang zuerkannt wurde und der zugleich - Kultur als "Lebenselement" empfindend (vgl. NZZ, 15.7.1996) - weit über die Grenzen der eigenen Wissenschaftsdisziplin hinaus wirkte. Verfasser auch mehrerer Monographien und bekannt mit vielen Künstlern und Schriftstellern, hatte er schon 1936 ein Buch über die Schweizer Jahre von Rainer Maria Rilke, mit dem er 1924 bereits zusammengetroffen war, veröffentlicht. Nachdem er sich 1947, während einer Gastprofessur an der Universität Wien, mit dem Bildhauer Fritz Wotruba befreundet hatte, widmete er 1948 diesem ebenfalls ein Buch. Er kannte Thomas Mann und war ein Weggefährte von Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt. Als Geschichtswissenschaftler und Hochschullehrer mied S. die eigene Zunft und hielt sich von deren Zusammenkünften fern. Andererseits arbeitete er 1948 als Mitglied der Kommission für die Deutsche Hochschulreform, war am britischen Wilton Park College tätig und vertrat - als Mitglied der Schweizer UNESCO-Kommission - sein Land bei den Konferenzen der Organisation in Paris und Montevideo, nachdem er schon an der ersten UNESCO-Generalversammlung 1946 teilgenommen hatte. S. saß auch im Exekutivrat des Genfer Institut des Hautes Études Internationales und war, von 1952 bis 1964, Präsident der Kulturstiftung Pro Helvetia.
Als Historiker war S., der die auf eine Neutralisierung Deutschlands hinauslaufenden Pläne von George F. Kennan und dem polnischen Außenminister Adam Rapacki guthieß und auch de Gaulles Distanzierung zu den USA und dessen Konzept von einem "Europa der Vaterländer" begrüßte, bestrebt, eine "im höchsten Grade verworrene Welt" zu erklären. Seine seit 1951 in sechs Bänden erschienene "Weltgeschichte der neuesten Zeit" sowie der Essayband "Geschichte und Politik" (1971) erreichten bis zu Beginn der neunziger Jahre Bestsellerauflagen, wie auch seine "Notizen eines Müßiggängers", die er als 82jähriger veröffentlichte und denen, "grüblerische Notizen eines alten Weisen" (Schw. Z.), 1987 "Innen und Außen" als Fortsetzung folgte. Mit "Frieden und Kriege in Europa" legte der von Le Monde als "un humaniste suisse" geehrte "Schweizer europäischer Prägung" (NZZ) 1989 sein letztes Buch vor.
S. war seit 1940 mit Elisabeth Huber verheiratet. Sein Sohn Thomas ließ sich als Psychiater in Zürich nieder. Der Historiker, der Musik und Theater liebte und gern zur Jagd ging, lebte zuletzt vorwiegend auf dem Familiensitz Schloß Brunegg im Kanton Aargau, wo er - nach einem Treppensturz und anschließender Lungenentzündung - auch starb. Brunegg hatte ihm lange zuvor schon die Ehrenbürgerwürde verliehen.
Veröffentlichungen u. a.: "Sismondi, la vie et l'œuvre d'un cosmopolite philosophe" (32; 73; Diss.), "Rainer Maria Rilkes Schweizer Jahre" (36; 75), "Giuseppe Motta. 30 Jahre eidgenössische Politik" (41), "Der Bildhauer Fritz Wotruba" (48), "Weltgeschichte der neuesten Zeit" (6 Bde.; 51-80), "Im Lauf der Jahre" (62), "Weltchronik" (66, 81), "Schwierige Schweiz" (68), "Geschichte und Politik" (71), "Grenzüberschreitungen. Ein Lebensbericht" (2 Bde; 75/1978), "Notizen eines Müßiggängers" (83), "Innen und Außen" (87), "Frieden und Kriege in Europa" (89).
1996: Veröffentlichung:
2003:
2011:
2009: Urs Bitterli: "
Auszeichnungen (Auswahl): Preis der Académie Française (33); Dr. h. c. Univ. Genf (59), Wien (81), Hamburg (83) und Lausanne (84); Literaturpreis Bern; Kulturpreis von Zürich; Aargauer Literaturpreis; Preis der Schweizerischen Schillerstiftung; Schillermedaille in Gold der FVS-Stiftung, Hamburg; Officier Légion d'honneur (69); Silbernes Ehrenzeichen von Österreich; Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern (82).
Letzte Adresse: Claussiusstr. 34, 8006 Zürich, Schweiz
Letzte Adresse: Schloss Brunegg, 5505 Brunegg/Aargau, Schweiz