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MUNZINGER Personen

John G. Roberts jr.

amerikanischer Jurist; Vorsitzender Richter am U.S. Supreme Court; J.D.
Geburtstag: 27. Januar 1955 Buffalo/NY
Nation: Vereinigte Staaten von Amerika (USA)

Internationales Biographisches Archiv 08/2024 vom 20. Februar 2024 (fl)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 12/2025


Blick in die Presse

Herkunft

John Glover Roberts jr., kath., wurde am 27. Jan. 1955 in Buffalo (Bundesstaat New York) geboren und wuchs als zweitältestes Kind mit drei Schwestern auf. Er hat tschechische Vorfahren seitens der Mutter Rosemary, geb. Podrasky, sowie irische und walisische Wurzeln väterlicherseits. Der Vater John G. Roberts sr. war leitender Angestellter der Bethlehem Steel Corp. am Stammsitz in Pennsylvania und später im Stahlwerk Sparrows Point (Maryland). Er galt als Intellektueller und führte Managementstrukturen nach japanischem Vorbild in seiner Firma ein. Als R. im Grundschulalter war, zog die Familie in die exklusive, am Ufer des Michigansees gelegene Kleinstadt Long Beach (Indiana).

Ausbildung

R. besuchte die katholische La Lumiere School in La Porte (Indiana), damals noch ein Jungeninternat, wo er sich als exzellenter Lateinschüler, aber auch als Football-Mannschaftskapitän hervortat. Nach dem Schulabschluss 1973 studierte er Geschichte am Harvard College, wo er 1976 den Bachelor-Grad "summa cum laude" erwarb. Darauf folgte ein Jurastudium an der Harvard Law School, das er 1979 mit dem Berufsdoktorat (J.D.) "magna cum laude" abschloss. Als Student war er zeitweise leitender Redakteur der Fachzeitschrift "Harvard Law Review".

Wirken

Karriere als Anwalt und im öffentlichen DienstNach dem Jura-Examen war R. zunächst am Bundesberufungsgericht in New York City tätig und wechselte 1980 zum Obersten Bundesgerichtshof (U.S. Supreme Court) als Angestellter des Verfassungsrichters William H. Rehnquist. 1981 wurde er Assistent des Justizministers William French Smith in der republikanischen Regierung von US-Präsident Ronald Reagan und arbeitete anschließend (1982-1986) als Berater unter Fred Fielding, dem führenden Rechtsberater des Präsidenten im Weißen Haus.

1986 stieg R. als Sozius in die renommierte Privatkanzlei Hogan & Hartson in Washington/DC ein, wo er die Leitung der Berufungsabteilung übernahm. Er verließ die Kanzlei 1989, als er unter dem neuen US-Präsidenten George Bush Erster Stellvertreter des Solicitor General im Justizministerium wurde, des obersten Prozessvertreters der Regierung vor dem Supreme Court. Nach der Ablösung des Republikaners Bush durch den Demokraten Bill Clinton 1993 kehrte R. auf seinen Kanzleiposten zurück. Als Rechtsanwalt diente er sowohl Reagan als auch beiden Bush-Regierungen. Im Rechtsstreit um die US-Präsidentenwahl 2000 gehörte er zum Anwaltsteam von George W. Bush (Sohn des älteren Bush), dessen knapper Wahlsieg letztlich durch ein höchstrichterliches Urteil besiegelt wurde. Insgesamt plädierte R. in 39 Rechtsfällen vor dem Obersten Gericht, von denen er 25 gewann.

Mehrmals wurde der strenggläubige Katholik R., der für seine konservative Grundeinstellung, aber auch für seine umgängliche Art bekannt war, als aussichtsreicher Kandidat für einen Richterposten am Bundesappellationsgerichtshof im Gerichtsbezirk der US-Hauptstadt Washington gehandelt. Diesen erlangte er im dritten Anlauf, als seine Nominierung durch Präsident George W. Bush schließlich im Mai 2003 vom US-Senat einstimmig bestätigt wurde.

Vorsitzender Richter am U.S. Supreme CourtIm Juli 2005 schlug Präsident Bush R. für eine Richterstelle am Obersten Gerichtshof vor, die durch den altersbedingten Rücktrittswunsch von Sandra O'Connor frei wurde. Eine neue Situation ergab sich jedoch mit dem Tod des 80-jährigen Vorsitzenden Richters (Chief Justice) William H. Rehnquist im Sept. 2005, für dessen Nachfolge Bush dann R. nominierte. Nach seiner Bestätigung durch den Senat mit 78:22 Stimmen trat der damals 50-jährige R. sein neues Amt am 29. Sept. 2005 an - als erste Neubesetzung am Supreme Court seit 1994 und jüngster Chief Justice seit 1801. Da die Ernennung der Obersten Richter auf Lebenszeit gilt, bot sich der Bush-Administration hiermit die Möglichkeit, die konservative Ausrichtung des Gerichts langfristig zu verstärken. Nur wenig älter als R. war der konservative Kollege Samuel Alito, der ab Jan. 2006 den Platz von O'Connor einnahm. Die scheidende Richterin zählte eher zu den Moderaten und hatte im neunköpfigen Supreme Court öfter das Zünglein an der Waage gebildet. Der Chief Justice besitzt per se kein höheres Stimmrecht als die acht Associate Justices, allerdings stellt der überparteiliche Konsens in der Verfassungsgerichtsbarkeit traditionell das anzustrebende Ideal dar.

Urteile in der Bush-Ära: In seiner Urteilssprechung vertrat R. überwiegend Meinungen, die eher den politischen Positionen der Republikaner entsprachen, so etwa in zwei Gerichtsentscheiden von 2007 zum Verbot von Spätabtreibungen sowie zu Quotenregelungen an Schulen zwecks Förderung ethnischer Minderheiten, die nach Auffassung des Gerichts dem Gleichheitsgrundsatz entgegenstanden. Diese Urteile wurden mit knapper Mehrheit (5:4) gefällt, ebenso der Entscheid von 2008, der die enge, textgetreue Verfassungsauslegung bekräftigte, dass das Recht jedes US-Bürgers auf privaten Waffenbesitz vom 2. Zusatzartikel geschützt sei. Ein Minderheitsvotum gab R. 2008 im Fall "Boumediene vs. Bush" ab, bei dem das Gericht die Praxis der Bush-Regierung rügte, terrorverdächtigen US-Kriegsgefangenen auf dem exterritorialen Militärstützpunkt Guantánamo das Recht auf gerichtliche Anhörung (habeas corpus) zu verwehren.

Zu R.s Amtspflichten gehörte es auch, dem Demokraten Barack Obama, der als erster Afroamerikaner zum US-Präsidenten gewählt wurde, bei dessen Inauguration im Jan. 2009 den Amtseid abzunehmen. Dies hatte durchaus Pikanterie, da Obama früher als US-Senator gegen R.s Berufung in den Supreme Court votiert hatte.

Urteile in der Obama-ÄraPolitisch folgenreich waren die Urteile von 2010 und 2014 zur Deregulierung der Wahlkampffinanzierung und der Entscheid von 2013, der Teile des Wahlrechtsgesetzes von 1965 aufhob, das der Kongress 2006 noch verlängert hatte. In diesem Fall ("Shelby County vs. Holder") ging es v. a. um die Regelung, dass bestimmte Bundesstaaten und Landkreise sich Wahlrechtsänderungen vom US-Justizminister genehmigen lassen mussten, womit ethnische Minderheiten vor Diskriminierung geschützt werden sollten. R. vertrat dagegen in der Urteilsbegründung den Standpunkt, dass es den staatlich organisierten Rassismus im Süden der USA nicht mehr gebe und die Gesetzesnorm somit nicht zeitgemäß sei. 2015 gehörte R. zu den vier Richtern, die sich im Fall "Obergefell vs. Hodges" gegen die Legalisierung der Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern aussprachen, während die Mehrheit dafür stimmte.

Die politisch wichtigsten Supreme-Court-Urteile in der Obama-Ära betrafen die Gesundheitsreform ("Obamacare"), die eine weitgehende Krankenversicherungspflicht vorsah und erstmals allen US-Bürgern Zugang zu einer bezahlbaren Versorgung ermöglichen sollte. Von republikanischer Seite erbittert bekämpft, führte das Vorhaben zu einer Grundsatzdebatte um die Rolle des Staates in der Gesundheits- und Sozialpolitik. Der 2010 verabschiedete Reformkompromiss wurde von mehreren Bundesstaaten juristisch angefochten und vor den U.S. Supreme Court gebracht. Dieser erklärte die Reform im Juni 2012 mit wenigen Einschränkungen für verfassungsgemäß; beim 5:4-Votum gab R., der auch das Urteil verfasste, zur Überraschung vieler Beobachter den Ausschlag und stimmte mit den vier als liberal geltenden Richter/inne/n. Manche Republikaner warfen ihm deshalb Verrat vor. Das Urteil hatte jedoch auch eine bittere Note für die Regierungsseite, die argumentiert hatte, dass der Kongress gemäß der "Handelsklausel" der Verfassung befugt sei, Bürger zum Kauf von Gütern zu zwingen. R. wies das klar zurück, wie seine konservativen Kollegen. Anders als diese rechtfertigte er aber die Versicherungspflicht mit der Steuerhoheit des Kongresses, setzte also Versicherungsbeiträge mit Steuerleistungen gleich. In Kommentaren wurde R.s juristischer Kunstgriff als Geniestreich gefeiert (u. a. Washington Post, 28.6.2012), da er das wichtigste innenpolitische Projekt der Obama-Administration rettete und zugleich der Opposition ein Argument lieferte, um die Demokraten als Steuererhöhungspartei zu kritisieren. R. verschaffte sich so eine Aura der Überparteilichkeit, als zunehmend Vorwürfe politisch motivierter Urteile aufkamen. Nach der Wiederwahl Obamas im Nov. 2012 beschritten die Reformgegner erneut den Rechtsweg. Die Klage wurde in einem weiteren Supreme-Court-Entscheid (6/2015) abgewiesen, wobei R. wiederum die Mehrheitsmeinung (6:3) verfasste.

Patt am Supreme Court und Machtwechsel in WashingtonDie wachsende Polarisierung zwischen dem eher konservativen und dem eher liberalen Lager am Supreme Court mündete nach dem unerwarteten Tod des konservativen Verfassungsrichters Antonin Scalia (2/2016) in eine Pattsituation, die über ein Jahr anhielt, weil der inzwischen mehrheitlich republikanische Senat sich weigerte, Obamas Nachfolgekandidaten anzuhören. Die Hinhaltetaktik zahlte sich aus, als der Republikaner Donald Trump die US-Präsidentenwahl vom Nov. 2016 gewann, der versprochen hatte, nur sehr konservative Verfassungsrichter zu nominieren. Dies konnte er als Präsident bald einlösen: Im April 2017 trat Neil Gorsuch die Nachfolge Scalias an, und im Okt. 2018 ersetzte Brett Kavanaugh den aus Altersgründen ausscheidenden Richter Anthony Kennedy, einen gemäßigten Konservativen, der ab und zu mit der liberalen Fraktion gestimmt hatte. Besonders die Personalie Kavanaugh war hoch umstritten, der Senat gab sein Plazet mit nur 50:48 Stimmen. Erwartet wurde, dass R. in der neuen Konstellation die informelle Rolle des "Median-Richters" übernehmen könnte (FAZ, 23.11.2018).

Urteile während der Präsidentschaft von TrumpDer rechtspopulistisch auftretende Präsident Trump spaltete die Nation u. a. mit seiner restriktiven Einwanderungspolitik. Seine im Jan. 2017 dekretierte, mit Sicherheitsrisiken begründete Einreisesperre gegen Staatsbürger aus bestimmten Ländern wurde wiederholt von US-Gerichten gestoppt, bis der Supreme Court im Juni 2018 eine nachgebesserte Version des Dekrets mit einem 5:4-Votum verfassungsrechtlich absegnete. R. hielt in seiner Urteilsbegründung fest, dass hier allein der Wortlaut des Dekrets und die präsidialen Vollmachten relevant seien, nicht aber Trumps diskriminierende Wahlkampfforderung ("Muslim-Bann"). Aufsehen erregte R. jedoch im Nov. 2018 mit seiner scharfen Reaktion, als Trump einen kalifornischen Bundesrichter, der ein Präsidialdekret zur Asylrechtsverschärfung aufgehoben hatte, als "Obama-Richter" beschimpfte. Entgegen der amtsüblichen Zurückhaltung wies R. den Präsidenten öffentlich zurecht: In der unabhängigen Judikative gebe es "keine Obama-Richter oder Trump-Richter", sondern engagierte Richter, die ihr Bestes gäben, um gleiches Recht für alle walten zu lassen (zit. n. NZZ, 23.11.2018).

Danach zeigte der Supreme Court in mehreren Urteilen Distanz zum politischen Betrieb, lehnte im Juni 2019 die Zuständigkeit der Gerichte in der Frage ab, wie weit Wahlkreise nach politischem Kalkül zugeschnitten werden durften ("Gerrymandering"), und erteilte auch Trumps Ansinnen vorläufig eine Absage, bei der nächsten Volkszählung die Staatsbürgerschaft mit abzufragen. Dies war umstritten, da Kritiker eine geringere Zensusbeteiligung bei illegalen Einwanderern, mit erwartbar negativen Folgen für Wahlkreiszuschnitte und Mittelzuteilungen, befürchteten. R. stimmte im Zensus-Urteil mit dem liberalen Flügel, weil er die Begründung der Regierung für konstruiert hielt. Im Juni 2020 fielen drei weitere höchstrichterliche Urteile, die als juristische Niederlage für die Trump-Administration gewertet wurden. Wegen nicht angemessener Begründung erklärte das Gericht die Aufhebung eines unter Obama eingeführten Schutzprogramms für Kinder illegaler Einwanderer (sog. "Dreamers") für nichtig. Zudem entschied das Richtergremium, dass das Diskriminierungsverbot am Arbeitsplatz laut Bürgerrechtsgesetz von 1964 auch für sexuelle Minderheiten gelte, und es kippte ein restriktives Abtreibungsgesetz des Bundesstaates Louisiana. In allen drei Fällen schlug sich R. auf die Seite der liberalen Richter/innen, wobei im dritten Urteil für ihn ein Präzendenzfall ausschlaggebend war (der Supreme Court hatte 2016 ein fast wortgleiches Gesetz aus Texas kassiert). Im Juli 2020 urteilte das höchste Gericht erstmals über einen Fall, der Trump persönlich betraf, indem es der New Yorker Staatsanwaltschaft im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen Einsicht in seine Steuererklärungen gewährte.

Entwicklungen im Wahljahr 2020Während die Supreme-Court-Verhandlungen nicht öffentlich sind, stand R. Anfang 2020 im Rampenlicht, als er verfassungsgemäß die Senatssitzungen zur ersten Amtsenthebungsklage (Impeachment) gegen Trump leitete, die von der demokratischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus initiiert wurde. Der republikanisch dominierte Senat hatte über die Anklage zu entscheiden, sie lautete auf Amtsmissbrauch und Behinderung des Kongresses. R. mahnte als Versammlungsleiter zur verbalen Mäßigung, spielte ansonsten aber eine zurückhaltende Rolle und ging aus Mediensicht "unbeschädigt" aus den parteilichen Grabenkämpfen hervor (vgl. eu.usatoday.com, 6.2.2020; NZZ, 24.1.2020). Wie angesichts der Mehrheitsverhältnisse kaum anders zu erwarten, wurde Trump vom Senat im Febr. 2020 freigesprochen.

Als im Sept. 2020 die liberale Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg starb, nutzte Trump kurz vor der US-Präsidentenwahl die Chance, die konservative Mehrheit am Obersten Gericht von 5:4 auf 6:3 auszubauen. Obwohl seine Partei 2016 noch darauf bestanden hatte, Verfassungsrichterstellen in einem Wahljahr nicht neu zu besetzen, durchlief die von Trump nominierte NachfolgekandidatinAmy Coney Barrett, die der religiösen Rechten zugerechnet wurde, kurzfristig das Bestätigungsverfahren im Senat und wurde am 29. Okt. von R. vereidigt.

Trump verlor die Wahl im Nov. 2020 dann deutlich gegen den Demokraten Joe Biden, erkannte das Ergebnis aber nicht an und klagte durch alle Instanzen, allerdings ohne Erfolg. Dem juristisch haltlosen Versuch der Wahlanfechtung verweigerte sich letztlich auch das konservative Lager am Supreme Court, der im Dez. 2020 eine Verfassungsklage aus Texas einstimmig zurückwies. Diese war von 17 weiteren republikanisch regierten Bundesstaaten und 126 Kongressabgeordneten der Partei unterstützt worden. Über ein weiteres Impeachment gegen Trump wegen Anstiftung zum Aufruhr (Sturm auf das Kapitol in Washington/DC am 6. Jan. 2021) verhandelte der US-Senat erst nach dessen Ablösung als Präsident (20.1.), womit sich R. von der Pflicht entbunden sah, die Sitzungsleitung zu übernehmen.

Urteile während der Präsidentschaft von BidenDas Oberste Gericht lehnte im Juni 2021 einen neuerlichen Versuch der Republikaner ab, Obamacare zu kippen (7:2-Votum), billigte jedoch kurz darauf Wahlrechtsverschärfungen in Arizona (6:3), die aus Sicht der Demokraten Minderheiten benachteiligten. Anfang 2022, während der 2020 ausgebrochenen Coronavirus-Pandemie, entschied der Supreme Court (5:4), dass die von der Biden-Regierung verhängte Impfpflicht für Beschäftigte im staatlich geförderten Gesundheitswesen rechtmäßig sei, nicht jedoch für jene in sämtlichen größeren Unternehmen. In zwei Fragen, die als die umstrittensten des amerikanischen Kulturkampfs galten, fällte das Gericht seine Urteile entlang der ideologischen Linien mit 6:3-Voten: Im Juni 2022 bekräftigte es das Recht, in der Öffentlichkeit eine Schusswaffe zu tragen, und hob das landesweite Recht auf Abtreibung (sog. Fristenlösung) auf, womit ein Grundsatzurteil von 1973 ("Roe vs. Wade") annulliert und die gesetzliche Regelung an die Bundesstaaten verwiesen wurde. R. verfasste in diesem Fall ein Sondervotum zur Mehrheitsmeinung, worin er argumentierte, dass eine konservative Lösung der Abtreibungsfrage auch möglich sei, ohne das Präzedenzurteil ganz aufzuheben. In einem weiteren Leiturteil, das als schwerer Rückschlag für Bidens Klimapolitik galt, wurde der US-Umweltbehörde EPA untersagt, die Emission von Treibhausgasen effektiv zu beschränken. Ebenfalls mit 6:3 Stimmen beendete das Gericht 2023 die jahrzehntelange Praxis der "Affirmative Action" zur Förderung ethnischer Minderheiten an Hochschulen. Dem Ansinnen der Republikaner, die gerichtliche Überprüfung von Wahlgesetzen abzuschaffen und somit die Gewaltenteilung einzuschränken, zeigte der Supreme Court mit Urteil vom Juni 2023 jedoch Grenzen auf.

R. wurde oft attestiert, das Oberste Gericht aus der Parteipolitik heraushalten zu wollen, um es als Institution zu schützen. Manchen galt er als moderater Konservativer alter Schule, der einem zunehmend rechtslastigen Richtergremium vorsaß ("An Unradical Man Leading a Radical Court"; newrepublic.com, 2.10.2023). Insbesondere das unpopuläre Abtreibungsurteil bescherte dem Supreme Court Umfragen zufolge eine Vertrauenskrise, die sich verschärfte, als 2023 Korruptionsvorwürfe gegen den konservativsten und dienstältesten Verfassungsrichter Clarence Thomas aufkamen und R. sich weigerte, einen verbindlichen Ethikkodex für das höchste Gericht aufzusetzen. Erst im Nov. 2023 verordnete sich das Gremium einen schriftlichen Verhaltenskodex, der allerdings keine Aufsichts- und Sanktionsbestimmungen enthielt. Kritische Beobachter sprachen von einer "Legitimitätskrise" des Gerichts und einer drohenden Zerreißprobe im Wahljahr 2024 (nzz.ch, 5.1.2024). Mit Spannung wurde das höchstrichterliche Urteil bzgl. der Zulässigkeit von Trumps neuerlicher Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 erwartet. Zügig nahm der Supreme Court diesen Fall an, als der Ex-Präsident das Gericht Anfang 2024 anrief, um gegen einen Beschluss aus Colorado vorzugehen, der ihn von den Vorwahlen ausschloss wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol 2021 (Anwendung der sog. Disqualifikationsklausel der Verfassung).

1. Juli 2024: Der amerikanische Supreme Court verwirft mit sechs zu drei Stimmen das Urteil einer Berufungsinstanz im Prozess gegen Ex-Präsident Donald J. Trump, welches diesem als ehemaligem Präsidenten keinerlei Immunität vor Verfolgung von in seiner Amtszeit begangenen Straftaten zugebilligt hatte. Die Richtermehrheit des Obersten Gerichts macht nun klar, dass ehemalige Präsidenten keine Immunität für nicht offizielle Handlungen genießen, dass ihre Amtsausübung jedoch nicht nachträglich kriminalisiert werden dürfe. Das Urteil gilt als Erfolg für Trump, da die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen ihn wegen seiner Versuche das Ergebnis der Wahl 2020 umzudrehen vor der Präsidentenwahl im November nun praktisch ausgeschlossen erscheint. Das Urteil ist weit über den Fall Trump hinaus von großer Bedeutung. In einem von Sonia Sotomayor formulierten Minderheitenvotum wird kritisiert, dass das Urteil das Wesen der Präsidentschaft verändere und dem Grundsatz widerspreche, dass niemand über dem Gesetz stehe.

18. März 2025: Der Präsident des US-Supreme Court, John G. Roberts jr., kritisiert in einer seltenen Intervention - ohne dessen Namen zu nennen - die Forderung von US-Präsident Donald J. Trump, einen Bundesrichter abzusetzen, der eine Abschiebung nach El Salvador stoppen wollte. Roberts teilt mit, es sei "seit mehr als zwei Jahrhunderten gängige Praxis, dass ein Amtsenthebungsverfahren keine angemessene Reaktion auf Meinungsverschiedenheiten bezüglich einer gerichtlichen Entscheidung ist. Dafür sind Berufungsverfahren da".

Familie

R. lebt in Bethesda in Maryland. 1996 heiratete er die Rechtsanwältin Jane Marie Sullivan, vormals Vizepräsidentin der Organisation "Feminists for Life", die sich gegen Abtreibung und Todesstrafe wendet. Das Paar adoptierte im Jahr 2000 die beiden Kinder Josephine ("Josie") und John ("Jack").

Literatur

Literatur: Joan Biskupic: "The Chief. The Life and Turbulent Times of Chief Justice John Roberts" (19).

Auszeichnungen

Auszeichnung u. a.: Edmund J. Randolph Prize.

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften/weitere Ämter u. a.: Smithsonian Institution (Chancellor), American Law Institute, American Academy of Appellate Lawyers.

Adresse

c/o U.S. Supreme Court, 1 First Street, N.E., Washington, DC 20543, U.S.A., Tel.: +1 202 479-3000, Internet: www.supremecourt.gov



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