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Ralph Hamers

Ralph Hamers

niederländischer Bankmanager; CEO der UBS Group (2020-2023)
Geburtstag: 25. Mai 1966 Simpelveld
Nation: Niederlande

Internationales Biographisches Archiv 25/2023 vom 20. Juni 2023 (bc)


Blick in die Presse

Herkunft

Ralph Adrianus Joseph Gerardus Hamers wurde am 25. Mai 1966 im südniederländischen Simpelveld geboren. Sein Vater (gest. 2012) arbeitete für die staatliche Minen- und später Wasserwirtschaft, seine Mutter (gest. 2013) war Hausfrau. H. wuchs mit zwei älteren Brüdern in einfachen aber behüteten Verhältnissen auf und genoss eine katholische Erziehung, die ihn laut eigenem Bekunden stark prägte. V. a. zu seinem Bruder Frank, der als Geschäftsführer der Diözese Roermond tätig ist, pflegt er - besonders seit dem Tod der Eltern - ein inniges Verhältnis.

Ausbildung

Nach dem Besuch des katholischen Rolduc-Gymnasiums in Kerkrade absolvierte H. an der Universität Tilburg ein Masterstudium in Ökonometrie, einer wirtschaftswissenschaftlichen Teildisziplin, die sich vorrangig auf mathematische und statistische Methoden stützt.

Wirken

Berufseinstieg und Wechsel zur INGNach kurzen Tätigkeiten als Logistikmanager beim amerikanischen Automobilkonzern General Motors nahe Antwerpen sowie bei dem Wirtschaftsprüfer Dunwoody & Company im kanadischen Thunder Bay durchlief H. ab 1989 ein Traineeprogramm bei der niederländischen Investmentbank ABN Amro, von der er 1991 zur damals gerade entstehenden Internationalen Nederlanden Groep (ING) wechselte. 

Die ING war als Holding Anfang der 1990er Jahre aus dem Zusammenschluss der staatlichen niederländischen Postbank mit dem Versicherer Nationale-Nederlanden entstanden. Den Kern der Holding bildet seither die gleichnamige niederländische Bank ING mit Sitz in Amsterdam (Deutschland-Tochter: ING-DiBa), die mit rund 58.000 Angestellten und 37 Mio. Kundinnen und Kunden in über 40 Ländern (Stand: Ende 2022) zu den größten europäischen Geldhäusern zählt. Die ING gilt als eine der ersten und zugleich erfolgreichsten sog. Direktbanken, die sich nicht auf ein dichtes und kostspieliges Filialennetz stützen, sondern ihrer Kundschaft eine möglichst günstige und flexible Abwicklung von Bankgeschäften ermöglichen (später v. a. mittels Online-Banking).

Aufstieg bei der INGBei der ING arbeitete H. zunächst an Finanzierungsmodellen für die Luftfahrtbranche, ehe er ab Mitte der 1990er Jahre an der Finanzierung von Produktionen großer Filmstudios (u. a. Disney und Warner Brothers) mitwirkte. Bald stieg er in gehobene Managementpositionen auf und betreute u. a. mehrere Ländertöchter der Bank (1999-2002 Rumänien, 2005-2007 Niederlande, 2011-2013 Belgien und Luxemburg), bevor er - für die meisten Kommentatoren völlig unerwartet - im Febr. 2013 zum neuen Vorstandsvorsitzenden (CEO) der Großbank gewählt wurde. H., der zuvor nicht dem Vorstand der ING angehört hatte und sich von seiner Berufung selbst überrascht zeigte (vgl. Hbl., 14.11.2017), folgte ab Oktober desselben Jahres als bis dato jüngster ING-CEO auf Jan Hommen.

CEO der INGH. gelang es in seiner Zeit als CEO, die im Zuge der Weltfinanzkrise 2008 durch staatliche Hilfsgelder in Höhe von 10 Mrd. Euro gerettete ING auf eine höhere Profitabilität zu trimmen. Neben dem Rückbau der Filialen auf dem niederländischen Heimatmarkt und der Gewinnung neuer Privatkunden, v. a. auf dem wichtigen deutschen Markt, setzte H. einen Schwerpunkt seiner Firmenpolitik auf die Digitalisierung. Nach seinem Verständnis sollte die ING weniger als reine Bank, sondern in Anlehnung an US-amerikanische Technologiekonzerne (wie Google oder Amazon) als innovative Digitalplattform verstanden werden, die auch abgeschöpfte Kundendaten zur Optimierung des eigenen Angebots heranzieht (vgl. u. a. SZ, 17.5.2017). Auf große Übernahmen innerhalb einer sich konsolidierenden europäischen Bankenbranche hingegen verzichtete der auf organisches Wachstum setzende H. - auch wenn in den Medien zeitweilig über eine Übernahme der kriselnden deutschen Commerzbank spekuliert worden war (vgl. Hbl., 25.10.2019).

Kritik und RechtsfälleWährend H.s digitale und zunehmend auch auf nachhaltige Investments setzende Agenda in Verbindung mit seinem häufig als nahbar oder gar mitreißend beschriebenen Auftreten (vgl. Hbl., 21.2.2020) ihm in der europäischen Finanzbranche einen Ruf als "Visionär" eintrug, war H. in den Niederlanden häufiger der Kritik ausgesetzt. Unmut entzündete sich etwa 2018 an der geplanten Erhöhung von H.s Jahresgehalt von 1,2 Mio. Euro auf rund 3,0 Mio. Euro, die Teile der niederländischen Öffentlichkeit angesichts der Bankenrettung mittels Steuergeldern 2008 als Affront empfanden. Vom vorgesehenen Gehaltsplus für den ING-CEO wurde daraufhin Abstand genommen.

Noch schwerer wog eine Vergleichszahlung in Höhe von 775 Mio. Euro, auf die sich die ING nach Geldwäschevorwürfen im Sept. 2018 mit den niederländischen Behörden einigte. In Italien war dem Geldhaus nach ähnlichen Vorwürfen ab März 2018 sogar die Gewinnung von Neukunden untersagt worden. H., dem selbst zunächst keine justiziablen Verfehlungen nachgewiesen werden konnten, räumte zwar Versäumnisse ein, machte jedoch v. a. Fehler bei der Unterlagenführung und im Prozessmanagement für den Missbrauch durch Kriminelle verantwortlich (vgl. Hbl., 25.10.2019).

Erst nach seinem Wechsel zur UBS (s. u.) wurden im Dez. 2020 im Zusammenhang mit den zurückliegenden Geldwäscheskandalen auf Anordnung eines Berufungsgerichts in Den Haag doch noch staatsanwaltliche Ermittlungen gegen H. selbst eingeleitet. Über eine mögliche Anlageerhebung gegen den Bankmanager, dem u. a. vorgeworfen wurde, nicht ausreichend gegen kriminelle Aktivitäten von ING-Kunden vorgegangen zu sein, war jedoch zwei Jahre später noch immer nicht abschließend entschieden.

Berufung an UBS-SpitzeIm Febr. 2020 wurde H.s Wechsel an die Spitze der Schweizer Großbank UBS in der Nachfolge Sergio Ermottis ab Nov. 2020 bekannt. Als treibende Kraft hinter der Personalie galt UBS-Verwaltungsratschef Axel A. Weber, den H. seit Jahren persönlich aus dem gemeinsamen Wirken im Branchenverband Institute of International Finance kannte. Die Fachpresse reagierte auf die Berufung H.s größtenteils positiv und verwies auf das Renommee des Niederländers (vgl. etwa Hbl., 21.2.2020). Einige Kommentatoren gaben jedoch zu bedenken, dass H.s Aufgabenschwerpunkt bislang auf dem Privat- und Firmenkundengeschäft, nicht aber auf der für die UBS essenziellen Vermögensverwaltung gelegen habe (vgl. TA, 21.2.2020). H.s Ersatz als CEO der ING wurde bereits ab Juli 2020 das bisher für das Risikomanagement der Direktbank zuständige Vorstandsmitglied Steven van Rijswijk.

Als erklärtes Ziel H.s galt die weitere Digitalisierung des unter Ermotti stabilen, aber zusehends stagnierenden Schweizer Branchenprimus (Bilanzsumme 2020: über 1,12 Billionen US$, rund 71.000 Mitarbeitende) sowie der Aufschluss zu den US-amerikanischen Wettbewerbern. Als wichtige Wegmarken in diesem Zusammenhang galten die Schaffung eines neuen Vorstandspostens für Digitales im April 2021 sowie der Kauf des digitalen Vermögensverwalters Wealthfront für 1,4 Mrd. US$ im Jan. 2022, mit dem die außerhalb der Schweiz bislang vernachlässigten weniger vermögenden Kundinnen und Kunden stärker in den Blick genommen werden sollten. H. machte sich des weiteren daran, die bis dahin sehr hierarchische und schwerfällige Unternehmenskultur der UBS aufzubrechen und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Divisionen zu verbessern (vgl. NZZ, 8.11.2021). Für das Geschäftsjahr 2022 konnte die UBS mit einem um 2 % auf 7,6 Mrd. US$ gewachsenen Nettogewinn aufwarten. Dennoch vermissten einige Kommentatoren entscheidende strategische Weichenstellungen vonseiten H.s (vgl. u. a. TA, 8.9.2021).

Vorzeitiger Abtritt nach CS-ÜbernahmeEin Paukenschlag in der Branche und gleichzeitig das vorzeitige Ende seiner Zeit als CEO der UBS Group markierte die im März 2023 auf Initiative der Schweizer Regierung eingeleitete Notübernahme des Schweizer Wettbewerbers Credit Suisse (CS) durch die UBS, nachdem das seit Jahren kriselnde, zweitgrößte Geldhaus des Landes durch den Einbruch des Börsenkurses und den massenhaften Abzug von Kundengeldern in Existenznot geraten war. Zu einem "Schnäppchenpreis" von umgerechnet rund 3 Mrd. Euro und abgesichert durch staatliche Garantien von 9 Mrd. Euro sowie Liquiditätshilfen der Schweizerischen Nationalbank von bis zu 200 Mrd. Euro entstand so eine neue Megabank, die von einigen Fachleuten allein durch ihre Größe (addierte Bilanzsumme: über 1,5 Billionen US$) als systemisches Risiko für die Schweiz eingestuft wurde. Die vollständige, auf Jahre angelegte Integration der CS, die bis auf Weiteres als eigenständige Marke unter dem Dach der UBS weitergeführt wurde, sollte nach dem Willen des UBS-Verwaltungsrats um Colm Kelleher allerdings nicht H., sondern dessen Vorgänger Sergio Ermotti leisten, der im April 2023 an die Spitze der UBS zurückkehrte. Kommentatoren wiesen darauf hin, dass dabei auch die Schweizer Nationalität des künftigen Firmenchefs den Ausschlag gegeben haben könnte (vgl. FAZ, 30.3.2023). H. blieb allerdings zunächst bei der UBS beschäftigt und sollte seinem Nachfolger für eine mehrmonatige Übergangszeit beratend zur Seite stehen.

Familie

H. ist verheiratet und Vater der Zwillinge Michelle und Maxim. Er ist gläubiger Katholik und fährt gerne Rad.

Auszeichnungen

Auszeichnung: "European Banker of the Year" (16).

Mitgliedschaften

Weitere Positionen u. a.: Mitglied der Geschäftsführung der Nederlandse Vereniging van Banken/NVB (bis 20), Direktoriumsmitglied des Institute of International Finance (bis 20), Aufsichtsratsmitglied beim Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam.



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