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MUNZINGER Personen

Uwe Scholz

deutscher Ballettdirektor und Choreograph
Geburtstag: 31. Dezember 1958 Jugenheim an der Bergstraße (heute zu Seeheim-Jugenheim)
Todestag: 21. November 2004 Berlin
Nation: Deutschland - Bundesrepublik

Internationales Biographisches Archiv 06/2005 vom 12. Februar 2005 (la)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 34/2005


Blick in die Presse

Herkunft

Uwe Scholz wurde in Jugenheim bei Darmstadt geboren.

Ausbildung

Im Alter von vier Jahren erhielt Sch. bereits den ersten Ballettunterricht, den er zwei Jahre später am Landestheater in Darmstadt fortsetzte. Als einziger Junge an der Ballettschule sammelte er bald erste Erfahrungen bei Oper, Schauspiel und Ballett. Neben der Tanzausbildung erhielt er an der Staatlichen Akademie für Tonkunst in Darmstadt Klavier- und Gesangsunterricht, später auch eine Ausbildung an Violine und Gitarre. Seinen ursprünglichen Berufswunsch Dirigent gab der von den Ausdrucksmöglichkeiten des Tanzes faszinierte Sch. mit 13 Jahren auf. 1973 wurde er von dem legendären John Cranko, einen Monat vor dessen Unfalltod, an der Ballettschule der Württembergischen Staatstheater Stuttgart aufgenommen. Hier prägte ihn vor allem die Cranko-Nachfolgerin Marcia Haydée. Noch während der Ausbildung (1976) choreographierte Sch. sein erstes Ballett: "Serenade für 5+1" zur Musik von Mozart. Nach kurzen Aufenthalten in London und New York kehrte Sch. 1977 nach Stuttgart an die John-Cranko-Akademie zurück und schloss dort 1979 seine Ausbildung ab.

Wirken

Noch im selben Jahr wurde Sch. Mitglied des Stuttgarter Balletts unter Marcia Haydée und übernahm erste choreographische Aufgaben. 1980 erhielt er einen Choreographenvertrag, wurde 1982 zum "Ständigen Choreographen" der Stuttgarter Kompanie ernannt und zog sich damit als Solist von der Bühne zurück. Neben seiner Ballettarbeit sammelte Sch. Erfahrungen als Regieassistent, Opernchoreograph (u. a. mit Lovro von Mataćić oder Hans Neuenfels' "Aida" in Frankfurt), Schauspielassistent (bei Hansgünther Heyme) und arbeitete auch für das Fernsehen.

Mit Choreographie-Aufträgen gastierte er an den wichtigen Häusern und Festspielstätten der Welt (u. a. Kroatisches Nationaltheater Zagreb, Teatro Communale Florenz, Städtische Bühnen Frankfurt, Henze-Festspiele in Montepulciano, Nationalballett Madrid, Königliches Opernhaus Stockholm, Berliner Staatsoper, Deutsche Oper Berlin, Kanadisches Nationalballett Toronto, Teatro alla Scala in Mailand, Wiener Staatsoper, Teatro Municipal Santiago di Chile, Ballet British Columbia Vancouver, Jiri Kylian's Nederlands Dans Theatre, Königliches Ballett von Winnipeg) und arbeitete u. a. mit Karl Lagerfeld bei "Les Ballets de Monte Carlo" zusammen. Beim Testimonium Festival in Israel zeichnete er gleichzeitig für die Opernregie und Choreographie verantwortlich.

26-jährig wurde Sch. im Jahre 1985 Ballettdirektor und Chefchoreograph der Züricher Oper und debütierte am Limmat mit einer choreographischen Interpretation von Haydns "Schöpfung". Die Kritiker lobten seine Tanzinterpretationen stets wegen der gelungenen, eine Aussage vermittelnden Körpersprache und nannten es seine Vision, mehr als eine einseitige tänzerische Formvollendung zu bieten. Nach sechs Jahren Zürich, in denen Sch. eine große musikalische Bandbreite von der Renaissance bis zu Udo Zimmermann und Pierre Boulez abgedeckt hatte, wegen persönlicher Schwierigkeiten aber auch öffentlich kritisiert wurde, wechselte er 1991 als Ballettdirektor und Chefchoreograph nach Leipzig und übernahm hier ein zu den größten deutschen Ensembles gezähltes Ballett, das ab 1992 international unter dem Namen "Leipziger Ballett" bekannt wurde. Er stellte sich in der sächsischen Landeshauptstadt wie in Zürich mit der "Schöpfung" vor und zeigte dann 1992 die Stücke "Wagner" und "Pax Questuosa", die bei der Premiere mit "standing ovations" euphorisch bejubelt wurden.

Im März 1993 hatte in Stuttgart die Inszenierung von Beethovens "Siebter Symphonie" Premiere, die dann zum 300-jährigen Jubiläum der Oper im Mai in Leipzig mit der "Symphonie fantastique" von Berlioz zur Aufführung kam. Im Okt. 1993 wurden in Leipzig als fünfte Premiere in zwei Jahren die "Scènes de Ballet" von Strawinsky uraufgeführt, mit der Sch. nach Meinung der ZEIT (24.12.1993) "seine Aufbauarbeit" beendete. "Mit einem kraftvoll-elegant tanzenden Ensemble hat er Leipzig zu einer Ballettstadt gemacht", schrieb das Wochenmagazin anerkennend.

Als 1994 ein Ruf der Deutschen Oper Berlin an Sch. erging, nahm er ihn nicht an und setzte seine in den Feuilletons hoch gelobte Arbeit in Leipzig und als Gast an renommierten Spielstätten fort. Überregionale Beachtung fanden seine Choreographien "Klavierkonzert Nr. 1" von Bartók bei einem Haydée-Abend in Ludwigsburg (Sept. 1994), die Neuinszenierung "America" in Leipzig (Dez. 1994), die deutsche Erstaufführung von "Rot und Schwarz" nach Stendhal in Dresden (Dez. 1995), "Schwanensee" in Leipzig (Jan. 1996), die "Bach-Kreationen" in Leipzig mit dem Thomanerchor und dem Gewandhausorchester Leipzig (Mai 1996), "Der wunderbare Mandarin" nach Bartók in Leipzig (Nov. 1996) und die Premiere der "Zauberflöte" von Mozart in Nürnberg (Juni 1997). Die geplante Inszenierung des "Onegin" von Cranko musste 1997 aus Kostengründen abgesagt werden.

Als spektakulär galt am 14. Febr. 1998 die umjubelte choreographische Uraufführung von Mozarts "Großer Messe" in Leipzig, mit der Sch. und seine Kompanie auch gegen die Arbeitsbedingungen unter dem rigiden Sparzwang der Landesregierung protestierten. Am Ende der Vorstellung kamen die Tänzer zum Teil in Alltagskleidung auf die Bühne und lauschten sitzend der Musik. "Unserem Mann in Leipzig geht es ausschließlich darum, auch dem Publikum einmal die Perspektiven eines Ensembles aufzuzeigen, dem bei weiterem Stellenabbau das Aus droht - oder zumindest der Abschied eines Choreographen, der das Leipziger Ballett zu dem gemacht hat, das es heute ist", schrieb dazu Hartmut Regitz in den Stuttgarter Nachrichten (20.2.1998).

Neben Leipzig arbeitete der vielfach ausgezeichnete Tanzchef Sch. bevorzugt an der Semperoper Dresden, in Stuttgart und Berlin, wo er an der Oper Unter den Linden seine neuen Choreographien von Schumanns "2. Symphonie", Strawinskys "Scènes de Ballet" (2002) und Rachmaninows "Suite Nr. 2" und des "Klavierkonzerts Nr. 3" zeigte. Zwei Jahre nach einer von ihm selbst als "Lebens- und Schaffenskrise" bezeichneten Phase, die nach Beobachtermeinung auch mit dem Wechsel seines Intendantenfreundes Udo Zimmermann nach Berlin zusammenhing, befreite sich Sch. im Febr. 2003 in Leipzig mit zwei grandiosen Interpretationen von Strawinskys "Sacre du printemps" nach Einschätzung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (25.2.2003) eindrucksvoll aus der vorangegangenen Krise. Sein letztes Werk "Scholz Notizen I" (2004) war eine Art autobiographisches Skizzenbuch. Nach der Kritik an dem Stück sah Sch. seine Aufbauarbeit in Leipzig zum Schluss generell in Misskredit gebracht (vgl. Stgt. N., 24.11.2004).

Gesundheitliche Probleme zwangen Sch. seit Juli 2004 zu einer schöpferischen Pause. Zuvor hatte er sich mit der Stadt Leipzig darauf geeinigt, seinen 2006 auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Nach seinem Tod im Nov. 2004 hinterließ Sch. ein Œuvre von über 100 Balletten und in Leipzig eine Kompanie, die er nach dem Ende der DDR zu internationalem Ruhm geführt hatte.

Familie

Der ledige Sch. war lange krank und von vielen Hüftoperationen über die Jahre körperlich geschwächt. "Das einstige 'Wunderkind' des europäischen Balletts" (Deutsche Bühne, Jan. 2005) starb am 21. Nov. 2004 mit nur 45 Jahren in einem Berliner Krankenhaus an einer Lungenentzündung

Werke

Choreographien u. a.: "Serenade für 5+1" (77), "Das Urteil des Paris" (79; Stuttgart), "Die Vögel" (80; Stuttgart), "La Domanda Senza Risposta" (80; Montepulciano), "Schäferspiele" (81; Frankfurt), "Konzert für Klavier und Bläser" (82; Frankfurt), "Suite Terza" (83; Florenz), "Prosemen 4" (84; Frankfurt), "Piano Rag Music + Tango" (85; Ulm), "Petruschka" (86; Zürich), "Jeunehomme" (86; Monte Carlo), "Der Feuervogel" (87; Hannover), "Der wunderbare Mandarin" (88; Zürich), "Wagner" (89; Berlin), Schumanns "Symphonie Nr. 2" (90; Zürich), "Coppelia" (92; Leipzig), "Pax Questuosa" (92; Leipzig), "Sinfonie in drei Sätzen" (93; Leipzig), "Rot und Schwarz" (95; Mailand), "Schwanensee" (96; Leipzig), Bartóks "Erstes Klavierkonzert" (96; Leipzig), "Die Zauberflöte" (97; Nürnberg), "Dans la marche" (98; Leipzig), "Klavierkonzert Es-Dur" (00; Leipzig), "Die Tausend Grüße" (00; Leipzig), "Oktett" (00; Leipzig), "Die Schöpfung" (01; Dresden), "Scènes de ballet" (02; Berlin), Rachmaninows "Klavierkonzert Nr. 3" (02; Berlin), Strawinskys "Sacre du printemps" (03; Leipzig), "Winterreisen" (03; Dresden), "Scholz Notizen I" (04; Leipzig), Strawinskys "Feuervogel" (04; Berlin).

3. September 2005: Premiere am Opernhaus Zürich: "Skrjabin-Projekt/Bluelight". Choreographie: Heinz Spoerli/ "Oktett". Choreographie: Uwe Scholz.

Auszeichnungen

Auszeichnungen u. a.: "Ommagio Alla Danza" der Organisation "Espressione Europa", Venedig (87), Medal of Merit des Lions Club Leipzig (94), Bundesverdienstkreuz am Bande (96), Theaterpreis der Bayerischen Staatsregierung (98), Deutscher Tanzpreis (99).

Mitgliedschaften

Sch. war Gründungsmitglied der Freien Akademie der Künste zu Leipzig, wurde 1993 Professor für Choreographie an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater und 1997 Direktor der Ballettschule der Oper Leipzig.

Adresse

Letzte Adresse: c/o Leipziger Ballett, Augustusplatz 12, 04109 Leipzig



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