Zu Beginn des neuen Jahrhunderts wurde Birgit Thumm zu den größten Zukunftshoffnungen des deutschen Volleyballs gezählt. Nur fünf Jahre später war auf der Website des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) www.volleyball-verband.de mit Blick auf die Athletin, die im Sommer 2003 von Münster zu den Roten Raben Vilsbiburg gewechselt war, zu lesen: „Sie kann fast alle Positionen spielen und ist aufgrund dieser Allroundfähigkeiten und ihrer herausragenden Technik unverzichtbar für die DVV-Frauen.“ Auf Grund eines im Training erlittenen Achillessehnenrisses war die 1,84 m große und 74 kg schwere junge Frau vor Olympia 2004 zu einer mehrmonatigen Zwangspause verdammt.
Laufbahn
Birgit Thumm versuchte sich zunächst in den Sportarten Tischtennis, Schwimmen und Leichtathletik. Ihre Volleyballkarriere begann, als sie im Alter von Zehn Jahren einen Aushang des TSV Herbrechtingen am schwarzen Brett des Herbrechtinger Gymnasiums las. "Wer hat Lust auf Volleyball?" (DVZ, 7/1998), stand da geschrieben und Birgit fing an, mit der Mannschaft zu trainieren. Unterstützung für ihre Sportbegeisterung fand sie bei ihren Eltern und dem Trainer des Herbrechtinger Vereins, Klaus Fezer. "Er hat mich entdeckt", meinte sie später rückblickend.
Fezer, lange Jahre internationaler Volleyballschiedsrichter und auch in der Regelkommission des Internationalen Volleyball-Verbandes (FIVB) engagiert, erkannte ihre Begabung früh und animierte sie, an einer württembergischen Bezirkskadersichtung teilzunehmen. Prompt kam Birgit Thumm unter die zwölf Besten. Von da an war klar, dass sie bessere Fördermöglichkeiten benötigte. Sie wechselte daraufhin nach Creglingen, wo der TVC ein Volleyballinternat mit intensiver Jugendförderung betrieb.
In Creglingen nahm Birgit Thumms Entwicklung einen rasanten Verlauf nach oben. Zuerst spielte sie noch in der Bezirksklasse, kurze Zeit später aber schon in der Regionalliga, während sie zeitgleich im Alter von nur 15 Jahren am Training der Bundesligamannschaft teilnahm. Ein Jahr später feierte sie schließlich als Mittelblockerin beim TV Creglingen ihr Bundesliga-Debüt. Diesen schnellen Aufstieg bezeichnete Birgit Thumm als ihren größten Erfolg. "Und das nicht auf der Bank, sondern auf dem Spielfeld" (DVZ, 1998), wie sie stolz betonte.
1996 wurde Birgit Thumm zudem in die deutsche Juniorinnen-Auswahl berufen. Bei der EM-Qualifikation im kroatischen Pula sicherte sich das deutsche Team um den Jungstar mit einem hervorragenden zweiten Platz die EM-Teilnahme. Zu diesen Erfolgen gesellte sich außerdem auch noch die Wahl zur besten Universalspielerin bei den A-Jugendmeisterschaften 1996 in Paderborn. Nach einem kurzen Zwischenstopp beim SSV Ulm (1999/00) und einem vierten Platz mit dem Nationalteam bei der EM 1999 in Italien wechselte Birgit Thumm schließlich 2000 zum DJK Karbach.
Der Verein verpflichtete sie nicht nur als Spielerin für seine Bundesligamannschaft, sondern bestand auch auf einem Engagement als C-Jugend-Trainerin. Die Nationalspielerin, die parallel eine Ausbildung zur Schornsteinfegergesellin absolvierte, kommentierte ihre verantwortungsvolle Aufgabe: "In einer dörflichen Gemeinschaft wie es Karbach ist, sind gerade wir Nationalspieler sehr angesehen. Für die Kids ist es sicher ein riesiger Ansporn, wenn ich mit ihnen trainiere" (DVZ, Juli 2001).
Aber nicht nur in der Jugendarbeit war Birgit Thumm mit Erfolg bei der Sache, sondern auch auf dem Spielfeld. Mit DJK Karbach wurde sie zweimal Dritter in der Bundesliga (2001, 2002) und mit der Nationalmannschaft durfte sie 2001 am Grand Prix in Asien teilnehmen. Dabei erspielte sie sich so viel Vertrauen beim damaligen Bundestrainer Hee Wan Lee, dass dieser ihr einen Stammplatz für die Weltmeisterschaft 2002 in Deutschland anbot. Einige ältere Spielerinnen waren verletzungsbedingt ausgefallen, weshalb der Trainer sich gezwungen sah, die entstandenen Lücken mit jungen Talenten aufzufüllen.
Das Wagnis lohnte sich. Zwar erreichte Birgit Thumm noch nicht ganz das Leistungsniveau ihrer Vorgängerinnen, aber dafür trug sie mit ihrer Bescheidenheit zur Entstehung eines nicht gekannten Teamgeistes bei, der den deutschen Damen immerhin zu Platz zehn verhalf. "Das ist für mich kein Problem, wenn ich nicht so viele Pässe bekomme. Ich muss meinen Job in der Mitte machen, und der lautet, den gegnerischen Block zu binden", beschrieb sie ihre Aufgabe im Team, denn, so ihre Devise, "wichtig ist, dass die Mannschaft gewinnt" (Stgt. Z., 2.9.2002).
Birgit Thumm wechselte nach der Weltmeisterschaft und einer erneuten Teilnahme am Grand Prix 2002 zum USC Münster, bei dem sie auf Anhieb zu einer festen Größe auf ihrer Stammposition als Mittelblockerin wurde. "Birgit hat in Münster schon jetzt eine feste Rolle übernommen" (Volleyball Magazin, Februar 2003), lobte sie Bundestrainer Lee. Mit ihrer Hilfe erkämpften sich die Münsteraner Frauen den Titel des Vizemeisters und standen im Pokalfinale 2003. Eine kurz vor Ende der Saison zugezogene Achillessehnenverletzung stoppte den Höhenflug der jungen Spielerin dann aber jäh.
Birgit Thumm, die sich im Sommer 2003 dem Bundesligisten Rote Raben Vilsbiburg angeschlossen hatte, konnte auf Grund der noch nicht vollständig ausgeheilten Verletzung die Spiele der EM 2003 in der Türkei - die deutsche Mannschaft erkämpfte sich Platz drei - nur am Fernseher verfolgen. Auch beim Turnier in Baku, wo sich die DVV-Auswahl die Fahrkarte für Olympia 2004 sicherte, musste sie noch passen. Nach der Wiedergenesung meinte Bundestrainer Lee, ihre „Zukunft läge mehr im Außenangriff“ (www.volleyball-verband.de). Der Coach nahm auch Kontakt mit ihrem Verein auf, um zu erreichen, dass Birgit Thumm auch in der Bundesliga auf dieser Position spielen konnte.
Obwohl, wie Birgit Thumm später sagte, es auf der Außenposition „ein völlig anderer Bewegungsablauf“ für sie war, avancierte sie gleich beim ersten Turnier in Montreux im Juni 2004 zur besten Annahmespielerin. Die Welt (3.8.2004) beurteilte ihr Auftreten auf der neuen Position mit den Worten: „Nie war sie so wertvoll wie heute.“ Birgit Thumm selbst sagte: „Was tut man nicht alles, um an Olympischen Spielen teilzunehmen“ (www.volleyball-verband.de). Deshalb sei ihr „die Position egal“ gewesen. Nach dem Höhepunkt Olympia, den die deutschen Volleyball-Damen auf Rang neun beendeten, ereilte Birgit Thumm nur zehn Monate später beim Turnier von Montreux ein erneuter Rückschlag: Sie knickte um. Die Ausheilung der Verletzung war kompliziert und dauerte länger als erwartet. Erst zu Beginn der Saison 2005/06 konnte sie wieder für die Roten Raben und für die Nationalmannschaft auflaufen.
Der neue Bundestrainer und Lee-Nachfolger Giovanni Guidetti hatte für Birgit Thumm eine weitere Positionsänderung im Gepäck. „Nach einem Spiel in Schwerin sagte er mir, dass er mit mir auf diagonal plant“, berichtete sie (www.volleyball-verband.de). Sie habe ihn mit „großen Augen“ angeschaut, aber bei der WM im November 2006 in Japan wusste Birgit Thumm auf der neuen Position zu überzeugen und wurde zweitbeste Punktesammlerin der DVV-Auswahl. Dabei hatte sie auch bei der WM unter Kniebeschwerden zu leiden, spielte stets mit dickem Verband und Schmerztabletten.
Verständlich, dass sie sich nun für die Zukunft erhoffte, von weiteren Verletzungen verschont zu bleiben. „Ich spiele gerne Volleyball, aber die Gesundheit geht vor“, erklärte sie (www.volleyball-verband.de). Natürlich hat sie das Ziel, in der Bundesliga nach drei Vizemeisterschaften endlich einen Titel zu gewinnen. Nach der Vizemeisterschaft 2003 mit dem USC Münster reicht es auch mit ihrem neuen Verein in den Jahren 2005 und 2006 jeweils nur zu Platz zwei in der Meisterschaft. Eine weitere Motivation bezieht sie aus der Chance, 2008 in Peking nochmals bei Olympischen Spielen starten zu können.Im Juni 2007 wurde bekannt, dass der Erstligist VC Wiesbaden sich um ihre Verpflichtung bemüht.
Informationen und Meldungen zum weiteren Fortgang der Karriere siehe Journal
Persönliches
Birgit Thumm ist ausgebildete Schornsteinfegerin und wurde 1999 Zeitsoldatin in der Sportförderkompanie Neubiberg. Auf eine entsprechende Frage erklärte sie einmal, dass für sie das Thema Ausland nie eine Rolle gespielt habe ("auch wenn ich Anfragen hatte“, www.volleyball-verband.de). In ihrer Freizeit liest und telefoniert sie gerne, geht mit Freunden aus und ist auch einem guten Essen nicht abgeneigt. Für Aufsehen sorgte sie, als sie sich vor der WM 2002 in Deutschland, wie die anderen Nationalspielerinnen auch, für das Magazin "stern" oben ohne ablichten ließ. Dies war als Werbemaßnahme für die Sportart Volleyball gedacht, die sonst in den Medien kaum wahrgenommen wird. Als Hobbys nennt sie Squash, Tennis und Beach-Volleyball. Nach ihrer Karriere kann sich Birgit Thumm vorstellen, dem Volleyball als Trainerin treu zu bleiben. „Generell spricht … nichts dagegen, dass ich mich später im Jugendbereich engagiere“, betonte sie (www.volleyball-verband.de).
Adresse
c/o Rote Raben Bundesligabetriebs GmbH, Industriestraße 12, 84137 Vilsbiburg
Karriere in Zahlen
Stationen:
1990 - 1994: |
TSV Herbrechtingen |
1994 - 1999: |
TV Creglingen |
1999 - 2000: |
SSV Ulm |
2000 - 2002: |
DJK Karbach |
2002 - 2003: |
USC Münster |
Seit 2003: |
Rote Raben Vilsbiburg |
Erfolge:
156 Länderspiele |
Olympia-Neunte 2004 |
WM-Elfte 2006 |
WM-Zehnte 2002 |
EM-Neunte 2001 |
EM-Vierte 1999 |
Junioren-WM-Neunte 1996 |
Grand-Prix-Teilnahme 2001, 2002 |
Vizemeisterin 2003, 2005, 2006 |
Pokalfinalistin 2003 |
Deutsche A- und B-Jugendmeisterin |
Journal
Ergänzungen aus MA-Journal. Die nachfolgenden Meldungen werden bei der nächsten redaktionellen Bearbeitung in den Text integriert.
August 2007: Birgit Thumm verlässt den Bundesligisten Rote Raben Vilsbiburg und wechselt zum Zweitligisten VC Stuttgart.
Dezember 2007: Bundestrainer Giovanni Guidetti nominiert Tanja Hart und Birgit Thumm für das Olympia-Qualifikationsturnier im Januar in Halle/Westfalen. Damit kehren die beiden routinierten Spielerinnen nach Rücktritten und Verletzungen wieder in die deutsche Nationalmannschaft zurück.