Martin Pollack
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Internationales Biographisches Archiv
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW
Martin Pollack wurde am 23. Mai 1944 in Bad Hall, Oberösterreich, geboren. Erst mit 14 Jahren erfuhr er, dass sein Vater Dr. Gerhard Bast SS-Sturmbannführer und Chef der Linzer Gestapo gewesen war, zuständig für Transporte der Juden in den Osten und für die Hinrichtung von Zwangsarbeitern. Auch an der Niederschlagung des Warschauer Aufstands war er direkt beteiligt. 1947 wurde er erschossen in einem Bunker gefunden. Der Stiefvater Hans Pollack, Bankbeamter und Kunstmaler, akzeptierte P. wie ein eigenes Kind. Nach eigenem Bekunden hatte P. eine glückliche Kindheit. Er bekannte allerdings auch in einem Interview (profil, 49/2017): "Der Onkel, mein Vater, mein Großvater, mein Stiefvater, alle waren Nazis."
P. besuchte ein Internat im Pinzgau (Salzburger Land), in dem er sich mit Flüchtlingskindern aus der Ukraine, aus Russland und Polen anfreundete. Nach dem Abschluss der Gesellenprüfung für Bau-und Möbeltischler studierte er Slawistik und osteuropäische Geschichte in Wien und Warschau. Bereits während der Studienzeit arbeitete er als Journalist und Übersetzer.
Berufstätigkeiten und künstlerische Einordnung 1987-1998 war P. als Korrespondent des deutschen Nachrichtenmagazins "DER SPIEGEL" u. a. in Wien und Warschau. Seitdem ist er freier Autor und Übersetzer aus dem Polnischen (u. a. von
In seinen Büchern befasste sich P. mit der Geschichte Polens und Galiziens. Kritiker attestieren ihm ein vielfältiges Œuvre. Er habe sich als Autor etabliert, "der durch Übersetzungen, Essays, Anthologien und vor allem die eigenen Bücher eine Scharnierfunktion zwischen Ost und West ausfüllte wie im deutschen Sprachraum sonst nur
Veröffentlichungen seit der Jahrtausendwende 2002 veröffentlichte P. seinen ersten dokumentarischen Roman "Anklage Vatermord" über den Mordprozess, in den der spätere jüdische Prominentenfotograf Philippe Halsman als junger Mann verwickelt war: 1928 kam sein Vater bei einer gemeinsamen Bergtour ums Leben. In dem von antisemitischen Tönen begleiteten Indizienprozess wurde der Sohn daraufhin schuldig gesprochen. Die Fachkritik lobte die spannend rekonstruierte Prozessgeschichte und den nüchternen Erzählstil. In "Der Tote im Bunker" (2004) recherchierte P. dann die Verstrickungen seiner Familie mit dem nationalsozialistischen Regime und die Tätigkeit seines Vaters bei der SS. DIE ZEIT (7.10.2004) meinte: "Dieses Buch ist interessant, weil es weit hinausgeht über die Person des Dr. Gerhard Bast. Weil es ein symptomatisches Leben auffächert, das sich so oder so ähnlich zehntausendfach wohl übertragen ließe auf andere Männer mit ähnlichem Ehrgeiz und vergleichbarer Gefühls- und Gewissensleere." Die Neue Zürcher Zeitung (11./12.9.2004) befand, das Buch oszilliere "zwischen Fremde und Nähe" und resümierte: "Gerade dass es offen scheitert im Verstehen, macht - auch literarisch - seine Größe aus." Im distanzierten Ton des Autors sah allerdings die tageszeitung (18.12.2004) einen "gravierenden Mangel". 2007 erhielt P. für "Der Tote im Bunker" den mitteleuropäischen Literaturpreis "Angelus", der das beste Buch des Jahres auszeichnet, das in Polen erschienen ist.
2008 erschien der Band "Warum wurden die Stanislaws erschossen?", der Reportagen des "SPIEGEL"-Autors aus den Jahren 1982-2007 versammelt. Die Kritik nannte die Texte literarisch und publizistisch wertvoll und lobte die klare, luzide Sprache des Autors. Eindrückliche Schilderungen über das Schicksal galizischer Auswanderer, die um 1900 ihr Glück in den USA suchten, lieferte P. 2010 nach Kritikermeinung mit "Kaiser von Amerika" (2010). "Dass er dabei Parallelen zu heute, den Praktiken der modernen Schlepperbanden oder der heutigen Medien, aufzeigt, macht sein Buch umso lesenswerter", urteilte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.11.2010). Drei in der Form eines Duetts erzählte Geschichten aus Polen legte P. zusammen mit
Verhältnis zu Polen Im kommunistischen Polen galt der Schriftsteller von 1980-1989 als unerwünschte Person. Nach Jahrzehnten der Anerkennung und Würdigung - so bezeichnete noch 2012 das polnische Außenministerium P. als "großer Freund Polens" (zit. n. FAZ, 23.7.2016) - wurde der Schriftsteller von der Regierungspartei PiS zur Persona non grata erklärt, nachdem er im April 2016 in der Tageszeitung "Standard" einen Essay mit dem Titel "Polen: Das Freund-Feind-Schema" mit harscher Kritik an der Regierungspartei PiS und seinem Vorsitzenden
P. lebt mit seiner Frau auf einem Bauernhof im Südburgenland. In seiner Freizeit sammelt er leidenschaftlich Münzen, Tierschädel und andere Gegenstände. Vor einigen Jahren wurde bei ihm ein Tumor in der Lendenwirbelsäule entdeckt und er musste sich einer Chemotherapie unterziehen.
17. Januar 2025: Der österreichische Journalist und Schriftsteller
Veröffentlichungen (Auswahl): "Nach Galizien: von Chassiden, Huzulen, Polen und Ruthenern. Eine imaginäre Reise durch die verschwundene Welt Ostgaliziens und der Bukowina" (84; Neuaufl. 01), "Des Lebens Lauf. Jüdische Familien-Bilder aus Zwischeneuropa" (87), "Anklage Vatermord" (02), "Der Tote im Bunker. Bericht über meinen Vater" (04), "Warum wurden die Stanislaws erschossen?" (08; Reportagen), "Kaiser von Amerika. Die große Flucht aus Galizien" (10), "Der Wolfsjäger" (11; mit
Herausgeberschaften (Auswahl): "Das reiche Land der armen Leute. Literarische Wanderungen durch Galizien" (92), "Sarmatische Landschaften. Nachrichten aus Litauen, Beloruss, der Ukraine, Polen und Deutschland" (06), "Von Minsk nach Manhattan. Polnische Reportagen" (06).
2019:
Literatur: Das österreichische Kulturmagazin "Die Rampe" widmete P. ihre Ausgabe 3/2017.
Auszeichnungen: Kavalierkreuz zum Verdienstorden der Republik Polen (03), Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln (07), Literaturpreis "Angelus", bedeutendster polnischer Buchpreis (07), Georg-Dehio-Buchpreis für sein Gesamtwerk (10), Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (11), Stanislaw-Vincenz-Preis des Ökonomischen Forums der Stadt Krakau (12), Kulturpreis des Landes Oberösterreich (15), Ryszard Kapuściński Übersetzerpreis (16), Dialog-Preis der Deutsch-Polnischen Gesellschaft (17), Johann-Heinrich-Merck-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (18).
Januar 2024:
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